„She’s awake!“

Erschienen am 25.01. auf Kig!

Staffel vier von True Detective ist seit 15. Jänner über z. B. Sky Österreich erhältlich.

Staffel eins (2014) – Sie erinnern sich, Leser:in, an “Time is a flat circle” und Mattthew McConaughey und Woody Harrelson, die durch Louisiana cruisen – war ein Triumph des intertextuellen Schreibens für den kleinen Bildschirm gewesen, dargeboten in acht beinahe perfekten Folgen. Autor und Showrunner Nic Pizzolatto hatte x Jahre Zeit gehabt, am Skript zu feilen, und das Ergebnis war eine Krimiserie, die stilistisch und thematisch vielfach in der Literaturgeschichte Amerikas, in den Schauergeschichten von Poe, Lovecraft und insbesondere Robert Chambers wurzelte. Das heißt auch, dass diese beiläufig acht Stunden Fernsehen ganz ähnliche Motive von sozialer und emotionaler Unbehaustheit, vom Fragwürdigwerden des manifest destiny der US-amerikanischen Historie aufriefen und auf den Punkt ihrer Bildwelt brachten wie jener literarische Kanon zu seiner Zeit – aber vom anderen Ende des short twentieth century und seiner Katastrophen her. Innerhalb der Fiktion hieß das, die immergrüne paranoide Mär von den rituell Kinder fickenden Eliten gerade so zu erzählen, dass es für unsere detectives unerheblich erscheinen konnte, ob das Verschwörungsblabla der Kultisten auf irgendwelche wirklichen Übernatürlichkeiten verwies, oder doch nur wieder auf die üblichen gegenseitigen Protektionen und Erpressereien.

Staffel zwei (2015) litt unter gar zu überstürzter Produktionszeit und Dissens zwischen Pizzolatto und Co-Produzent Cary Fukanaga. Innert eines Jahres wurde, vom großen Erfolg von Staffel eins angetrieben, eine unebene Neo-Noir-Story in die Empfangsgeräte gestemmt. War der Hallraum für die detectives Rust und Cole in Staffel eins die Tradition des american gothic, so reichten die intertextuellen Dendriten von Staffel zwei erstens nach der klassischen pulp-noir-Tradition (klar bei Los Angeles als Schauplatz), zum anderen ins griechische Altertum. Der Teil der Story Colin Farrell, Rachel McAdams und Taylor Kitsch als mehr oder weniger dirty cops und Vince Vaughn als Gangster-Antiheld (das intertextuelle Repetitorium, das Mythen, Beat-Lyrik, die Produktionsgeschichte des frühen Noir, und (wie dieser) auch die Sozialgeschichte der Besiedelung des kalifornischen Längstals aufrief) funktionierte denn auch hervorragend. Allein, die Krimihandlung holperte. Die ersten Folgen waren schon fertig gedreht und an ihnen war kaum noch etwas zu ändern, als sich anscheinend im writer’s room (= Pizzolattos Cranium) die Erkenntnis breitmachte, dass man sich da wohl vergalloppiert hätte: In den letzten drei Folgen wimmelt es erkennbar von narrativen Notlösungen. Wohlgemerkt: Der Verfasser dieser Zeilen liebt diese zweite Staffel weit mehr als die erste und die dritte, vor allem der gefühlten Tiefe wegen, die daher rührt, das allerhand widersprüchliches, der Form widerstrebendes Zeug nicht mehr weggefeilt werden konnte. Treu blieb die Produktion der undeutlichen Unterscheidung zwischen (innerhalb der Fiktion) wirklicher Jenseitigkeit und dem bloßen verbrecherischen Wirken einer banalen Kabale; erneut prägte es die Atmosphäre, dass der Unterschied zwischen mystischer Einsicht in höhere Welten und deliriöser Wirklichkeitsverweigerung für die Detektive aber praktisch keiner war.

Bei Staffel drei (2019) …

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