Hommage für Werner Schwab: Nostalgie nach Grazkunst

Erschienen am 18. 01. 2024 im ND

Unter dem Titel »Schwabgasse 94« bringt Regisseur David Bösch eine »Hommage an Werner Schwab« auf die Bühne des Grazer Schauspielhauses. Die Collage mit den »Greatest Hits« des jung verstorbenen Enfant terrible lässt 30 Jahre nach seinem Tod erkennen, was an seinem Werk für die hinterbliebene Kulturszene seiner Heimatstadt zur nostalgischen Projektion taugt – und was, zum Glück, nicht.

Das deutsche Feuilleton gab dem distinkten Duktus dieser Stücke – sie hießen etwa »Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos« oder »Endlich tot, endlich keine Luft mehr« – noch zu Lebzeiten des Autors, in jenen wenigen Jahren seines plötzlichen internationalen Erfolgs Anfang der Neunziger, einen eigenen Namen: Er schrieb nicht deutsch, sondern »schwabisch«. Es ist sicher verfehlt, den 2024 zeitgenössischen Regietheater-Mainstream, der mit Textflächen operiert, ausschließlich aus dem Erfolgszug dieses »Schwabischen« herzuleiten. Aber es ist plausibel, dass das initiale Interesse der Theatermacher um 1990 an Schwabs Texten sich nicht zuletzt den speziellen neuen Freiheiten verdankte, die seine Sprache ihnen bot.

»Schwabisch« erscheint der oberflächlichen Betrachtung wie eine Kunst-Karikatur der österreichischen Alltagssprache. Es zeichnet sich erstens aus durch eine genaue Verwendung der Zeiten, insbesondere der Vorzukunft; zweitens dadurch, dass Abstrakta durch Hinzufügen unbestimmter Artikel in konkrete Gegenstände verwandelt werden; drittens durch Nominalisierungen, die die Welt der Sprecher*innen in ein klaustrophobisches Sammelsurium von unverwandt herumstehenden Sachen verwandeln, den Unterschied von toter und belebter Natur aufheben. Dem entspricht inhaltlich, dass in Schwabs Bühnenuniversum Personen stets Sachen unter anderen sind, selbstverständlich bloße Mittel zum Zweck für Stärkere. Dieses Verhältnis von Machthaber und Opfer kann sich wieder und wieder drehen, wird aber nie qualitativ verwandelt werden. Der vergebliche Wunsch nach solcher Verwandlung ist das Energiereservoir der bitteren Komik, die den Stücken eignet.

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