Diese Sammlung von Gedichten aus zehn Jahren ist organisiert als ein Fortschreiten aus der (relativen) Gegenwart von 2016 – „Damaskus entfernte sich“ – in die Vergangenheit – „Für Damaskus“ (2006). Almadhoun spricht über Städte (ihnen voran die „Pole“ Damaskus und Stockholm) und meint Frauen; bzw. spricht über Frauen und meint Stationen seiner Entwicklung als Autor und Leser; bzw. spricht über Stationen seiner Entwicklung und meint (wie man für den meist wohl nicht von Krieg und Flucht geprägten deutschsprachigen Leser ggf. nochmal extra erwähnen muss) ganz handgreiflich die Stationen seines Exils, seit er Damaskus verlassen musste (… und selbst Damaskus erscheint, wenn man mitbedenkt, dass Almadhoun aus einem der palästinensischen Flüchtlingslager in Syrien stammt, als zumindest prekäre Heimat).
Die Wirklichkeit von Krieg, Flucht und massenhaftem Ersaufen im Mittelmeer ist in diesen Texten so präsent wie die Wirklichkeit von Supermarkteinkäufen und Besuchen in der Wohnung einer Geliebten; Worte wie „Gewehr“, „Plastiksprengstoff“ und „Folter“ sind bei Almadhoun nicht bloß Teil des Metaphern-, oder Bildungsgüter-, oder Geschichtsbewusstseinsvorrats, sondern er hat das zweifelhafte Privileg, dass sie in seiner Dichtung in in die Ablage mit den Lebenswirklichkeiten gehören. Das ändert, wie wir ihn lesen. Wir sind in der deutschsprachigen Gegenwartslyrik gewohnt, wenn schon, dann aus irgendwelchen Details, die „wir“ kennen (von der Rolltreppe als geradezu Topos war schon in der ersten Lyrik-von-Jetzt-Anthologie die Rede, oder?) etwelche Schrecknisse bzw. Welt-Unordnungen zu extrapolieren; bzw. solche mehr metaphorischen Alltagstopoi neben mehr expliziten Bezeichnungen für „Worum’s geht“ stehend zu finden. Hier aber haben wir dagegen eine Sprache und eine Sammlung an Gedichten, in der der Vorrat an erwähnten Sachen (also: von der Folter der Freunde im Krieg bis zum Falafelrestaurant in Stockholm) sämtlich konkret ist und die Dinge nicht je für ein Anderes, Eigentliches stehen, sondern wechselseitig …