Reue, Herrschaft, Feuilleton

Die Kurzfassung der Positionen, die Max Czollek für dieses Buch aufbereitet, geht ungefähr so: Das offizielle Deutschland nebst seiner Exportwirtschaft und denjenigen seiner Bewohner*innen, die sich in der sicheren Gewissheit dünken dürfen, im Zweifelsfall noch jeder beliebigen Definition zur „Mehrheitsgesellschaft“ gezählt zu werden – sie profitieren alle immens von der immer wieder erneuerten Inszenierung eines bestimmten Geschichtsbilds und seines ideologischen Korrelats in einem sich geläutert, weltoffenen und unverkrampft patriotisch wähnenden Deutschland. An diesem Geschichtsbild und an dieser Inszenierung hat Czollek zunächst auszusetzen, dass sie den jüdischen Bewohner*innen Deutschlands einen sehr bestimmten Platz im „Erinnerungstheater“ zuweisen, nämlich: allzeit als Repräsentant der (Nachkommen der) Opfer des Nationalsozialismus zur Verfügung zu stehen, um die jeweils anstehende Läuterungs- bzw. Sühnegeste der (Nachkommen der) Täter abzunicken, dabei Versöhnlichkeit auszustrahlen und im Übrigen zur neuen Deutschen Vielfalt (resp. zum christlich-jüdischen Abendland) den einen oder anderen nicht zu sperrigen Beitrag1 bereit zu haben.

Diese Indienstnahme, so Czollek, werde den real im gegenwärtigen Deutschland anwesenden Juden2 weder historisch noch kulturell gerecht. Sie verwandle all die offiziell Deutschen Reuebekundungen über „das Geschehene“ in ebenso viele erneuerte Dominanzgesten – „Erinnern“ wird zur Herrschaftsideologie. Hieran hängt als zweite Beobachtung die, dass sich das Kollektivsubjekt der „Deutschen“, da es solcher Rollenzuschreibungen bedarf, über die eigene Natur belügt, wenn es

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