„bezüglich der schatten“ heißt der jüngst hoch ausgezeichnete dritte Gedichtband von Levin Westermann. Das Zitat, das den Titel bildet, bezieht sich im Textkontext, aus dem es stammt, auf nichts Entlegeneres als einen Schatten in der Magnetresonanz-Tomographie des Subjekts. Der Stummelsatz
(…) bezüg-
lich der schatten. die wuchern. im off.
stellt dort ein Aufbegehren dar: gegen die groß-mythologischen und/oder fein gesponnenen Zusammenhänge, die der umgebende Text atmet. Nicht sie, sondern die blanke Angst davor, ob man an etwas Schwerem, gar Tödlichen erkrankt sei, bildeten die erste Ursache des so verdichteten Erlebens, Sprechens, Denkens, das bzw. über das wir rundherum lesen. ‚Erst vom Tode her‘ sei das ganze andere Zeug überhaupt zu denken. Gleichzeitig sagt der Titel „bezüglich der schatten“ – nicht als jenes Zitat gelesen, sondern „unschuldig“ als die Überschrift über gerade diesen Versen –, dass es um die griechisch-antike Auffassung (oder schon damals: die literarische Fiktion) dessen gehen solle, was, als ein „Schatten“, nach dem Tod vom Menschen bleibe, und um unsere akut-reale ‚Bezüglichkeit‘ gerade auf diese Auffassung (oder Fiktion). Unsere Inadäquatheit – individuell vom Ende her gedacht, als Gattung von der Zukunft her.
Westermann gibt seiner Lyrik ein unaufgeregtes Gepränge: betont schlicht der Stil, wenig extravagant das Vokabular. Die Einfachheit der ersten Verse entwickelt das Programm, dem das Buch folgt, und das wichtigste Stilmittel der folgenden etwa 150 Seiten:
Über Nacht
haben sie den Wald
mit Wald ersetzt,
die Vögel
mit Vögeln, den Fuchs
mit einem Fuchs.
Und draußen
in der Dämmerung
fällt Schnee, ein Auto-
wrack wird weiß
an einem See, im Garten
weder Bienen noch
Libellen noch
ein Kind –
Wir brechen auf.
„Den Wald / mit Wald ersetzt“ – die Setzung verwandelt Identes in bloß noch Homonymes. Oder hier:
Die Grenzen unsrer Sprache
sind die Grenzen
unserer Welt.
Das Schlimmste
ist vorüber. Das Schlimmste
steht noch aus.
An uns Lesern ist es jeweils, mittels der Anhaltspunkte aus der Grammatik oder dem Inhaltlichen nachzuvollziehen, was es denn sei, das die Dinge in der Welt transformiert. (Hier: Wie „das Schlimmste“ einmal etwas ist, von dem wir reden können, und einmal ein Unnennbares. Wie darin zwei verschiedene Arten davon skizziert sind, in der Welt zu sein.) Oder das gelingt uns nicht, soll, wie im ersten Beispiel, nicht gelingen, und wir müssen den Sachverhalt der Metamorphose schlicht zur Kenntnis nehmen, uns für später im Text merken, aufmerksam bleiben. Das setzt dann die darauf folgenden Verse unter vergrößerte Spannung … Diese Operation gibt Westermann auch deutlich komplexer als in den eben zitierten Ur-Beispielen. Etwa … [Weiterlesen auf Fixpoetry]