Erschienen am 13. März auf KiG!
Am 29. Februar war im Literaturhaus Graz die Buchpremiere von Helwig Brunners Roman “Flirren” – Klima-SciFi, die im lebensfeindlichen Alpenvorland eines verbrannten fünfundzwanzigsten Jahrhunderts spielt, sprachlich-klanglich wohleingerichtet und inhaltlich doppelgesichtig: einerseits die einladend weirde Ausfaltung von technologischen, ökologischen, sozialen Sachverhalten in einer Welt, die noch nicht die Unsere ist, andererseits (soweit bei der Lesung eben absehbar) die schiere psychologische Normalität der Szenen, Figuren, Handlungen … Ersteres reizt unmittelbar, zweiteres reizt aufgrund der “Fallhöhe” zu ersterem.
Auffällig war dem Zuhörer die Textstelle, die einen ganz wörtlichen Upload von Information in die Gehirne von Jugendlichen schildert – nicht als Behauptung “von außen”, sondern als versuchte Abbildung davon, wie sich so ein Upload wohl “von innen” anfühle. Die Szene ist als Erinnerung des erwachsenen Protagonisten gerahmt, der daran zurückdenkt, wie er als junger Mann aus seiner ersten Upload-Prozedur erwachte, und wie er sich da wiederum rekursiv und reflexiv erschloss, was er nun, nach dem Upload, über die Dinge in der Welt wisse, das er vordem nicht gewusst hatte, und wie dieses Wissen strukturiert sei. Der Erwachsene denkt also daran zurück, wie er als Jugendlicher zuerst bemerkt, dass er nur denkt, dass er [etwas Bestimmtes] denkt – und dann, wie sich dieser Erkenntnismoment auch nur je im Nachhinein greifen lässt: Brunner gelingt in dieser multiplen Verschachtelung das Kunststück, das notwendig Paradoxe am menschlichen Bewusstsein greifbar vorzuführen, stets die Re-Konstruktion seiner selbst zu sein. Dass er (und/oder sein Protagonist) dann im weiteren Gang der Handlung zwischen einem vorgängig natürlichen und einem nachgängig manipulierten Bewusstsein unterscheidet, welch letzteres sich allein nicht mehr sicher sein könne, woher die eigenen Gedanken stammten – das ist dann entweder die kulturpessimistische Metapher für post/meta-moderne Bewusstsein anno 2024, ausgedacht von jemandem, der noch an eine immaterielle Seele (oder wahlweise an die vulgärmarxistische Variante des Entfremdungspostulats) glaubt, oder es ist die adäquate Abbildung der verkürzten Gesellschaftskritik des sich gewitzigt dünkenden Halbwüchsigen im Narrativ. So oder so nimmt der zweite Schritt dem ersten nichts von seiner Wucht.
Das andere, was vom Leseabend hängen blieb, waren (…)