hasuacher stadtschreiber-tagebuch (6) – re: „zu attraktiv“

Ach Monsignore Tagpfauenauge! Ihro Unnahbarkeit, Infantin Zitronenfalter! Hochwohlgeschlüpfte Hummelkönigin nebst kommendem Hofstaat im Garten vor dem Molerhiisle! Es ist ja so, dass der Menschen Lebenszeit begrenzt ist, ganz wie die Eure, bloß so viel schlimmer, wie unser Bewusstseins von dieser Begrenztheit uns so giftig sticht, nicht wahr … und da ist es zum Beispiel mir, zum Beispiel hier, beinah unmöglich (weil nämlich, angesicht des unerbittlichen Tickens der Sekundenzeiger überall, unsagbar wurscht) – noch einmal die ganz genau korrekte Quelle für den jüngsten, oder auch den zweit-, oder den siebtjüngsten Unfug rauszusuchen, den die politische Kaste in Österreich gerade wieder mal verzapft oder gemacht hat.

Welches der genaue Kontext war, in dem Bundeskanzler Sebastian »Die Kindliche Kaiserin« Kurz höchst persönlich davon sprach, es wären unsere Sozialsysteme »viel zu attraktiv für Migranten« – was weiß ich jetzt noch. Meint er mit »uns« Österreich, meint er ganz Europa? Es ist mehr als zwei Tage her und gar zu doof. Man kanns googeln, meine lieben Schmetterlinge und Bienenartigen. Ich muß deshalb nicht. Ich muss mich bloß mit dem Gedanken anfreunden, dass das alles noch ziemlich ungemütlich wird … wobei: Meine ich Österreich? Meine ich Europa? …

Lassen wir uns das auf der Zunge, dem Schmetterlingsrüssel, dem Hummelmund zergehen: »Unser Sozialsystem ist zu attraktiv für Migranten.« Jetzt unabhängig von migrationspolitischen Maximen, unabhängig selbst von so semantischen Pingeligkeiten wie dem Rechtsstaat – wenn Kurz just mit diesen Worten ausdrückt, was er glaubt, dass es die Mehrheit denkt – merkt er nicht, was er da sagt?
nämlich: »Lieber pleite als gastfreundlich?« …

oder: »Lieber die Alpentäler voll verarmter Inzuchtopfer, die nie der ungeheuerlichen psychischen Belastung ausgesetzt waren, einen Kerl aus Nigeria aus der Nähe zu sehen, als dass am End’ einer, dessen Urgroßeltern nicht von hier sind, eine Impfung gratis kriegt!«

beziehungsweise.: »Schatz, lass uns die Kinder täglich grün und blau schlagen, dann kommen sie nicht auf die Idee, Schulfreunde nach Hause einzuladen, und wir haben eine Ruh’!«

oder: »Au ja, wennn ich mitten in mein Wohnzimmer scheiße, werden die letzten Gäste wohl endlich gehen!«

(oder er merkt’s; und eben drum sagt er’s? Aber wer wäre dann der Adressat? Was wäre der Gewinn?)

(Nebenbei: Eine zweite, ganz anders geartete Vorkommnis des Gedankens, da wäre was »zu attraktiv«, ist in der österreichischen Innenpolitiksimulation des letzten Jahrzehnts aktenkundig. Karl-Heinz Grasser, ehemaliger Finanzminister [Kabinett Schüssel, Projekt Schwarzblau eins] und seitdem regelmäßig Gast vor diversen Gerichten und Untersuchungssausschüssen, bisher NICHT verurteilt wegen allerkreativster Umleitung von öffentlichen Geldern in die privaten Taschen seiner Freunde und Verwandten – es gilt die Unschuldsvermutung – und ausserdem ein fürchterlich eitles Narzisserl, das als aktiver Finanzminister für oben-ohne-Glamourshots posierte …

Dieser Karl-Heinz Grasser also, in einer Fernsehdiskussion über die genannten Anschuldigungen, verlas den Brief »einer einfachen Wählerin« [war’s seine Frau, war’s seine Mutter?], die ihm ob der »Verfolgung« durch die »Neider« Mut zusprach [Wiederum: Das genaue Zitat zu googeln kann mich niemand zwingen, aber es ging circa so]: »Sie sind zu klug, zu schön, zu talentiert, das wird Ihnen nicht verziehen.«)