hausacher stadtschreiber-tagebuch (2) – re: tal der ahnungslosen

Mein lieber Herr Gesangsverein, sehr geehrtes Tagebuch! Am 9. März gab es eine Diskussionsveranstaltung in Dresden, bei »unerwartet großem Publikumsinteresse«, da durfte ein bedeutender deutscher Schriftsteller einem maximal erregten Medienpersonal nebst angeschlossener Öffentlichkeit den Gedanken (mehr raunend andeuten als) darlegen, es herrsche Meinungsdiktatur in Deutschland.

Das bemerke man insbesondere daran, dass z.B. er von »den Medien« mundtot oder lächerlich gemacht werde, wenn z.B. er im Namen »der Menschen« »den Eliten« reinsage, dass man mundtot gemacht werde, wenn man sich mal traue, zu sagen, dass man mundtot gemacht werde, wenn man sich mal traue, zu sagen, dass man mundtot gemacht werde, wenn man … usw. usf. ins Unendliche.

[»Sag an, Väterchen Schmitzer, gab es auch ein Tatsachensubstrat, auf das jener infinite Regress sich ursprünglich mal hätte beziehen sollen?« – »Ei freilich, Strohmännlein, gut, dass du fragst! Es ging um die Frage, wie in Zukunft mit der Präsenz von erkennbaren Faschisten auf den deutschen Buchmessen umgegangen werden solle; genauer: Ob man da wohl auch auf die richtige Art und Weise tolerant genug sei gegenüber diesem völlig neuen Phänomen, mit dem man gerade in Deutschland ja noch nie schlechte Erfahrungen gemacht hat.« – »Sag Väterchen … so, wie du da redest: Ist es das, was sie Sarkasmus nennen?« – »Nö. Trollinger. Und an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit.«]

Eigentlich war die Veranstaltung angelegt als eine Diskussion zwischen jenem bedeutenden deutschen Romancier, dessen Namen ich hier nicht nennen werde (da er schon darauf besteht, totgeschwiegen zu werden, kann dem in wenigstens diesem einen Beitrag Rechnung getragen werden, oder?), und einem anderen erfolgreichen Kollegen: Durs Grünbein, von der Qualifikation her eigentlich zuständig für fein gewirkte Bildungsbürgerlyrik, hatte an jenem Abend die undankbare Rolle des Stichwortgebers inne, ruhig …

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