Selbstkritik, und Anmerkungen zu Alex Garlands “Civil War”

Erscheinen auf KiG! am 21. Mai 2024

Letzens schrieb ich an dieser Stelle über Villeneuves Dune-Film. Ich fand ihn unleugbar wirksam, aber unangenehm ambivalent. Einerseits der kritische, explizit politische Impuls des Stoffes, der auf ekelhafte Wirklichkeiten weist, und zwar viel unverklausulierter, als Sci-Fi das sonst oft tut – und aber andererseits die glatte, zugleich durchschaubare UND (an mir selbst!, in Echtzeit einzusehen!) wirksame Überwältigungsästhetik! Am Ende postulierte ich, gegen alle guten Regeln der Literatur- und Filmkritik, was der Film hätte tun sollen, um meinem Anspruch an ihn gerecht zu werden. Ich schrieb da unter anderem dies:

Die Distanz zwischen Emphase und Wirklichkeit, die in Herberts Buch gut abgebildet ist, wäre im Film nur um den Preis durchzuhalten, dass das Ganze “keinen Spaß mehr machen” würde, also verlässlich kein Geld einspielte und aus dem Erinnerungsraum dessen, was man Popkultur nennt, rausfiele: (…) Oder die ganze Gewalt halt einfach nicht sexy machen, sondern ausschließlich Leute zeigen, die elendiglich verrecken (“Come and see” hat das gut hinbekommen).

Wenige Tage, nachdem ich das so geschrieben hatte – die Rezension war noch nicht einmal erschienen – kam ich überraschenderweise dazu, einen anderen Film zu sehen, einen, der meine Forderung vollgültig erfüllte, bei der Darstellung von Menschen im Krieg “keinen Spaß mehr [zu] machen”. “Aus dem Erinnerungsraum dessen, was man Popkultur nennt” scheint er trotzdem nicht rauszufallen, und die Kasse stimmt wohl auch, wenn wir Ressourcen wie Youtube, Rottentomatoes usw. glauben dürfen – von der professionellen Filmkritik ganz geschwiegen. Die Rede ist von Alex Garlands “Civil War”.

[Spoilers!]

Die Handlung von “Civil War”, soweit sie die Hauptpersonen betrifft, ließe sich ohne Abstriche vor der Folie jedes beliebigen real existenten Kriegsgebiets der Erde erzählen: Die junge Pressefotografin (Cailee Spaeny) Jessie erlernt unter dem Eindruck der Unmenschlichkeiten, durch die sie sich bewegt, die für ihren Beruf gebotene dissoziierte Grundhaltung. Die Fähigkeit zur völligen Verdängung menschlicher Emphase sichert im Kriegsgebiet das Überleben und schärft den Blick für das verwendbare Foto. Die junge Reporterin eignet sich also ein selbstzerstörerische Ethos an, während und genau insofern ihr unmittelbares Gegenüber und role model, die Journalismusveteranin Lee (Kirsten Dunst), die Fähigkeit verliert, sich nach den Maßregeln dieses Ethos zu verhalten. Die gegenläufige Doppelbewegung beginnt mit der Rettung von Jessie durch Lee, einer Szene, in der die Ältere der Jüngeren ganz explizit ihre Rüstung verleiht, und endet damit, dass die Jüngere den dramatischen Tod der Älteren (da diese die Nerven nicht behalten hat und ins Kreuzfeuer geriet, just, um Jessie zu beschützen)in, siehe oben, verwendbare Fotos verwandelt. Diese zweifache Entwicklungserzählung erlaubt uns, im Kino auf den Blick selbst zu schauen. Erstens (…)

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