„Spoiler Warning“ – zu Kaśka Bryla, „Roter Affe“

„Roter Affe“ ist ein dichter, abwechslungsreicher Thriller um eine Konstellation mehrerer plastisch und schlüssig gezeichneter Figuren, der sich auch sprachlich über die engsten Grenzen des Genres hinauswagt. Letzteresbesonders deutlich gegen Ende, nach dem Höhepunkt der Handlung, wenn die Autorin das Durcheinanderreden ihrer Figuren, alle zum ersten Mal zusammen in einem Raum, als den Bewusstseinsstrom eines Gruppenwesens inszeniert, ohne die individuellen Motivationen und Charakteristika aufzugeben. Zugleich handelt es sich um die Sorte Buch, bei der nicht verkehrt sein wird, die folgende Rezension mit dem popkulturell ubiquitär gewordenen Hinweis „Spoiler Warning“ zu versehen …

Die Autorin meistert es, uns auf falsche Fährten zu locken, was die Bedeutung einzelner Szenen betrifft; sie bedient sich dabei der kulturell unvermeidbaren Kenntnis von Krimitropen auf Seiten ihrer Leser, ohne übermäßig dick aufzutragen. So legt uns zum Beispiel das Eröffnungskapitel nahe, wir würden der Protagonistin (namens, ausgerechnet, Mania) dabei zuschauen, wie sie ihren Job als Gefängnispsychologin ohne zu zögern einer privaten Verpflichtung unterordnet. Wenn wir viel später verstehen, was da in Wirklichkeit geschehen ist, erscheint natürlich auch die Protagonistin uns in einem ganz anderen Licht. Die wiederholte Inszenierung dieser Erfahrung – wir denken, wir lesen von der einen Sache, und merken später, es war in Wahrheit eine andere – ist sozusagen der Erzählmotor von „Roter Affe“.

Gleichwohl sind es gerade alle diese guten Eigenschaften von Kaśka Brylas Roman, diejenigen, die ihn empfehlenswert und wohl erfolgversprechend machen, an denen sich Kritik festmachen lässt – Kritik an der bestimmten Romanform, in deren Tradition sich Bryla einschreibt; nicht unbedingt Kritik an ihrem Roman.  Denn wenn die Story wie gesagt „dicht“ und „spannend“ ist, bedeutet das auch, dass auf sich anbietende, geradezu aufdrängende Exkurse und Nebenschauplätze verzichtet wird, auf ineffiziente, aber reizvolle Verästelungen, die zur Spannung und zur Plotstruktur zugegebenermaßen nichts beigetragen hätten.  Etwa der titelgebende „Rote Affe“: er ist ein Rätselbild aus einem Traum der Protagonistin, und es ist eben der einzige solche Traum, den wir zu lesen bekommen, obwohl sich da manches entfalten ließe. Oder jene Ereignisse in der Arbeit Manias, die dem Beginn der Handlung vorausgehen: sie werden an gegebener Stelle beim Namen genannt, aber nicht erzählt. Warum sie diesem Rezensenten dann überhaupt wünschenswert erscheinen, die Verästelungen? – Zum einen, weil er gern schlicht mehr davon zu lesen gehabt hätte. Zum anderen wohl , weil der Tonfall der einzelnen Absätze eine thematische Stringenz aufweist, die über den Rahmen des Ganzen als einer prinzipiell verfilmbarer Noir-Story stets wieder hinauszuwollen scheint, aber von den Erfordernissen der Story zurückgehalten wird.

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