zu Grünbein, „Zündkerzen“

Die Piniengedichte ab Seite 80 in „Zündkerzen“ sind nett. Ansonsten bekommen wir viel Anlass, uns über diesen Lyrikband zu ärgern, wenn wir ihn lesen, und das liegt nicht daran, dass  wir den immerhin Büchner-Preisträger Durs Grünbein etwa ausgesprochen objektiv schlecht fänden. Ist er nicht, im Gegenteil. Was zum Ärgernis Anlass gibt ist, wenn man so will, die Fallhöhe: Da kennt einer die lyrischen Formen bis in die entlegeneren Details ihrer Historien und hat das drauf, Mühelosigkeit zu suggerieren, wenn er sein Sprachmaterial auf diese oder jene ganz bestimmte, anspielungsreiche Sondervariante dieser oder jener Strophenform bringt … Und auch noch die Grammatik wirkt ganz ungezwungen hier latinisierend, da anglesk (das ist kein Wort, ich weiss eh, es sollte aber eines sein). Mühelosigkeit! Wo es bei uns anderen bloß zu – bestenfalls noch ‚cooler‘ – Brachialität reicht; oder zu Feinnervigkeit, oder was weiß ich, jedenfalls aber unseren Arbeiten stets die metaphorischen Schweißflecken unter den Achselhöhlen der angestrengt herbeigezwungenen Metapher eignen …

Ein kühler Morgen, Herbst, Oktoberwind: im Park
Die Läufer drehen ihre Runden. Von der letzten Nacht
Noch feucht die Wiesen. Männer zeigen, bärenstark,
Was sie bewegen könnten, Technikfreaks, Athleten –
von Freizeit müde. War das Leben schon vollbracht?
Die Bäume schwirren, wer erinnert sich der Feten,
(…)

Mühelosigkeit also – und was macht der Verfasser mit seiner Mühelosigkeit? Nichts! Grünbein hat so dermaßen nichts zu sagen, das jener eindrucksvoll ausgeblendeten Mühe wert erschiene! Und nicht einmal das wäre weiter schlimm – nichts gegen reine Sprachequilibristik und wackere Luftnummern! – wenn diese Gedichte das Bedeutenwollen nicht gar so vor sich her trügen. Sie wollen uns durchaus einschwören auf ein wohlbekanntes Subjektivitäts- oder Bildungsideal, das im Zweifelsfall auch mal wichtiger als die ganze Sprachartistik wird und sie verdrängt – das vermittelt sich dann z. B. so:

Wir leben in geheimnislosen Städten

(…)

Die Stadt war nun ausgeschachtet. Durch Tunnel
Führte ein besinnungsloser Verkehr.
Es gab keine Eingeweide mehr, Labyrinthe
Im Zwielicht, mit Gassen ins Unbewußte,
Straßen, die in die eigene Blutbahn führten.

(…)

Und den Band durchzieht ein sichtliches Bemühen, diesem sagen wir romantischen, sagen wir deutsch-idealistischen Ideal neues Zeugs einzugemeinden. Solches Bemühen geht aus von der korrekten Diagnose, dass, was problemlos in den Referenzrahmen von Propertius und Pinien passt, kaum neue oder unter-siebzigjährige oder freiwillige Leser hinterm Ofen mehr hervorholt. Es sitzt aber der fehlerhaften Verfahrensweise auf, dass […]

[weiterlesen auf Fixpoetry]