zu robin coste lewis, „sable venus“

Das amerikanische Original, das nun in einer deutschen Übersetzung vorliegt – „Voyage of the Sable Venus: And other Poems“ – wurde 2015 mit dem National Book Award for Poetry ausgezeichnet.  Es gibt keinen einzigen Text hier, in dem die Dimensionen von Frau-Sein und Schwarz-Sein, die Rück-/Eroberung von Definitionsmacht keine Rolle spielen würden. Aber welche Rolle sie jeweils fürs Gebilde spielen, diese Dimensionen, das variiert. Wir beobachten auf den Seiten des Buches gleichsam einen wiederholten Umschlag zwischen einerseits der Dekonstruktion von „Rasse“/Klasse/Gender-Identitäten und andererseits ihrer souveränen Behauptung … Auch werden wir uns als deutschsprachige Leser rasch bewusst, dass in unserer Sprache, mit unserem begrifflichen Apparat für Gesellschaftliches, mit unserem Geschichtsbewusstsein manches hier zugleich offensichtlich drängend-zeitgenössisch und – for lack of a better word – exotisch erscheinen kann. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Odile Kennels Übersetzungsarbeit. Ihr ist außerdem zu applaudieren für die Entscheidung, im Anhang zu den Begriffserklärungen der Autorin noch Erklärungen speziell für die deutschsprachigen Leser_innen anzufügen; Leser_innen mithin, deren Alltagssprache zwar sehr wohl weiterhin diverse verdeckte und offene Rassismen und Ideologeme transportiert, aber eben: konkret andere verdeckte und offene Rassismen und Ideologeme als jene Alltagssprache, auf die sich Robin Coste Lewis bezieht, in der, mit der und gegen die sie arbeitet.

Der Band hat eine klar bestimmbare Hauptsache – den titelgebenden zweiten Abschnitt – doch auch von dieser Hauptsache abgesehen umfasst er (und laut!) lesenswerte Texte: zwei Kapitel mit Einzelgedichten, bei denen wir uns meist nicht ganz sicher sind, ob sie als schlichte narrative Langtexte, als investigative poetry oder als sozusagen songs gelesen werden wollen – „Felicité“, „Lust & Verständnis“, „Plantage“, „Rahmen“, „Köder“ (wobei wir übrigens eh wissen, dass wir songs als Verlegenheitskategorie einsetzen, um auf eine erhoffte soziale Praxis der Lyrikrezeption zu verweisen, die den Stoffen von Coste Lewis angemessener wäre als das, was im, sagen wir, Literaturhaus Graz als Wasserglaslesung durchgeht).

„Unterwegs zu Sri Bhuvenashwari“ ist vielleicht noch extra zu erwähnen, eine fast unangreifbar konkret und vorsichtig „über die Bande“ inszenierte Identifikation des Text-Ich (früher auf Reisen in Indien, jetzt Mutter und public figure in New York) mit der All-Mutterschaft – beziehungsweise mit einer Mutterkuh samt totem Kalb – mit Leben und Mitleiden zwischen den Spezies und Kulturen hin (und dem doofen, weißen-männlichen-deutschsprachigen Rezensenten, der, logisch, „ganz andere“ Sorgen hat, fällt nur ein, das wuchtige Gebilde nach Metaphysik-Resten abzuklopfen … er findet keine, bleibt aber misstrauisch, denn immerhin: Indien! Essenzfeminismus!)

Die Hauptsache dieses Bandes ist aber, wie schon gesagt, eindeutig sein titelgebender zweiter Abschnitt „Die Reise der Schwarzen Venus“ sowie gegebenenfalls noch der dazugehörige erläuternde Essay

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