Zwischen Simmering, Yorkshire und China – zu Thomas Stangl, „Quecksilberlicht“

Erschienen in Tagebuch – Zeitschrift für Auseinandersetzung #10/2022

Thomas Stangls sehr lesenswerter Roman Quecksilberlicht ist keiner – es ist ein Essay in Romanlänge. Die im Text aufgebotenen narrativen Mittel stehen hinter dem, was an ihm essayhaft ist, weit zurück. Jedoch sortiert Stangl seine Gedanken und Themen so, dass ihre Form möglichst dem Inhalt entsprechen, und da es im vorliegenden Fall um »Zeitwahrnehmung in der Literatur« geht, heißt das: Quecksilberlicht ist organisiert um mehrere Erzählhorizonte mit unterschiedlich vielen Subjekten erster und dritter Person, zwischen denen der Text unberechenbar hin und her springt, meist ein stillgestelltes Tableau ausbreitend. Der Eindruck eines mystisch-außerzeitlichen, überindividuellen Text-Selbst, das sich mit Ansage in die Enge der einzelnen Leben begibt, stellt sich bald ein. So heißt es: »(Ach so, Gott bin ja nur ich, und ich komme zu spät, prinzipiell, immer, es geht nur um die Erzählung, das hatte ich vergessen, es geht ums Zuspätkommen und die zwanghafte Vorstellung, noch etwas daraus zu machen. Gerade etwas daraus zu machen, Gerechtigkeit, Wörter.)« (…)