de consolatione philosophiae

… Und uns?! …

… uns, Schatzi, uns scheint derzeit nicht mehr und nichts Besseres zu tun zu bleiben, als dass wir das anscheinend unvermeidbare Herabsinken der zivilisierten Umgangsformen in Mitteleuropa schreibend begleiten. (Bekanntlich ist es gar nicht so lange her, dass man höflichkeitshalber davon Abstand nahm, jenes massenhafte Ersaufen von Negern und/oder Islamisten im Mittelmeer auch noch lautstark grölend abzufeiern, das man als stabil schweigende Mehrheit bislang bloß billigend zur Kenntnis genommen hatte …) Blöd, dass der Erkenntniswert unserer diversen Empörungen verschwindend gering bleiben muss, auch und gerade dann, wenn diese Empörung rechtschaffen, treuherzig und rhetorisch brillanter als hier vorgetragen wird (… und leider selbst noch im Bann des sonst so krisensicheren Textproduktionszweigs von faktenbasiertem Journalismus:

Der Neuigkeitswert noch der sauberst recherchierten Meldung, nach der ein österreichisches, ungarisches, u.s.-amisches Regierungsmitglied wieder irgendetwas atemberaubend Dummdreistes und/oder Bösartiges getan, veranlasst oder in die Propagandamedien hinein-diktiert hat … oder der zufolge es eine weitere offensichtliche Connäkschn zu rechtsradikalen Abenteurern und den von ihnen herbei-ruinierten Krisenherden im Umkreis gibt … oder wonach irgend jemand aus der bekannten Clique mit den Pfoten in einer der verbliebenen Steuergeld-Keksdosen erwischt wurde … er bleibt zwischen Washington, Wien und Wladiwostok äquivalent zu der Schlagzeile: “Bär scheißt im Wald”: Was sollen sie sonst machen, da sie sonst nix können, die Herren Hierarchietrotteln?)

Alles, was es über die derzeitige politische Lage in der “entwickelten Welt” zu sagen gibt, wurde in den letzten zwei Generationen Faschismusforschung und Kritischer Theorie bereits aberhundertfach gesagt, sowohl, was die psychische Verfasstheit der Akteure und die sozioökonomischen Ursachen ihres Treibens “gerade jetzt” betrifft, als auch in Hinblick darauf, womit hierzulande auf Sicht noch zu rechnen ist:

Aus Arriviertheit scheuebeklappt, oder sträflich naiv,oder schlicht blöd muss sein, wer das Aufploppen von “heimattreuen” Schlägertrupps nach Art der Hahnenschwanzler unseligen Andenkens oder der Nachtwölfein Österreich noch immer für unmöglich hält und weiterhin nicht fürchtet. Der derzeitige Vizekanzler der Republik hat nicht umsonst einen Teil seiner primären Sozialisation bei Wehrsportübungen erfahren; Männerbünde, “Kameradschaften” und Bikerclubs,die sich der männlichen Selbsterfahrung beim Einschüchtern politischer Gegner und Drangsalieren von Sündenböcken für die jeweilige Hysteriedujourhingeben,sie werden – sollten sie entstehen – nach anfänglichen Widerständen damit rechnen dürfen, polizeilich halbwegs unbehelligt zu bleiben, solange sienicht “über die Stränge schlagen” (also der Handelsbilanz schaden).

Appelle an den guten Willen der “politisch Gemäßigten”, sich dem Dreck en masse entgegenzustellen, sind zum Scheitern verurteilt. Was diese Gemäßigten nämlich gemäßigt macht, ist ja der Umstand, dass sie einerseits keine charakterliche Deformierung aufweisen, aufgrund derer sie das Drama der eigenen Unzulänglichkeit in den Augen des Übervaters wieder und wieder ausagieren müssten, und andererseits keine individuellen wirtschaftlichen Sorgen, die ihnen die Unterordnung unter solche Übervater-Obersöhne als plausible Karriereoption erscheinen lassen würden. Sie haben schlicht Besseres zu tun, als sich in jenen permanenten Ausnahmezustand einzuklinken, der für die Räuberbande, welche Kurz in die Regierung geholt hat, den einzigen Modus von Politik darstellt.

Es gibt von Theodor “Rückbezügliches Fürwort” Adorno in seinem Vortrag von 1967 …

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Mohn und Stroboskop

durch hohes gras, neben der spur, wo die kelchblätter des mohns schon am verblassen, kaum daß sie sich aufgefaltet, indes das licht ohne gnade hinfälliges richtet …

Solche Zeilen finden wir, unter der Überschrift „Neben der Spur“, im ersten der sieben Abschnitte dieses Gedichtbandes, und sie sind instruktiv: Prosagedichtform; eine Auftaktkette ohne Hauptsatz (dh: etwas verschwindet in einem Nichts); Naturmetaphern, und zwar so richtig fest konnotierte (dh: es gibt gleichwohl Kontinuitäten), deren genaue Darreichung zu kontemplieren wir eingeladen sind – was bei „Mohn“ und „Licht“ so aussieht: wenn die Blätter des Mohns „verblassen“, heißt das, die von ihnen signalisierte gnadenreiche Vergessenheit (wovon?) schwindet, und wir erinnern uns wieder (woran?), bei Tageslicht sozusagen, oder heißt das, irgendwas ist völlig gegessen und fertigverdaut von der Welt? Ersteres, dürfen wir vermuten. „I can’t forget, but I don’t remember what„, sang Leonard Cohen, und wir, zusammen mit Jayne-Ann Igels Textsubjekt in ihrem Band „die stadt hielt ihre flüsse im verborgenen“, wir erinnern uns also unserer Vergänglichkeit.

Die drei erwähnten Elemente – Prosagedichtform, traditionalistische Metaphernreservoirs, das Thema der Sterblichkeit – schrecken (mich) in dieser Kombination zunächst ab, gerade auch, da es sich um sehr konkrete Sterblichkeit handelt, von der (mir) nicht klar ist, warum sie uns Leser etwas angehen soll (und das ist dann der Nachteil einer solchen Schreibweise, die sich gegenüber ihrem Thema skrupulös zurücknimmt, nichtwahr? Wenn den Leser das Thema nicht zufällig von Anfang an interessiert, dann findet er zumindest auf der sprachlichen Ebene keine unmittelbaren Zusatz-Anreize, und zwar gerade, wo die Form gelungen und gut durchdacht ist). Igels Textsubjekt, darum geht es im Wesentlichen, erinnert sich des toten Vaters und besonders seines Sterbens, erinnert sich des eigenen Einst-und-Jetzt, da es (da sie) durchs Ostdeutsche reist, zur Mutter, die

nur noch über ein zimmer im heim verfügt, mit ein paar eigenen möbeln und dingen,

(wie das in dem Gedicht „Ohne geltung“ formuliert ist, in dem es um das wiederholte Aussortieren von Erinnerungsstücken, Hausrat, Büchern geht).

Wie gesagt: Geschmacksfrage, ob uns die individuelle Würde des individuell verstrickten Verlöschens dieser bestimmten Person/en so weit interessiert, dass wir uns auf einen ganzen Gedichtband einlassen, der sie, mit wie großer Genauigkeit, Einfühlsamkeit, Mittelbeherrschung immer, umkreist.

Ganz ohne Rückgriff auf zufällig-individuellen Geschmack können wir dagegen die Beobachtung machen, dass es Igel gelingt, …

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„Impeach Lyrik now!“

Kurzfassung: Es handelt sich um lustige Landschaftsgedichte, sehr sehr punk, sehr sehr meta, manche bestehend „bloß“ aus gedruckten Buchstaben, manche aus collagierten Schnipseln (der Klappentext dazu: „(…) z. B. zufällige Vorkommnisse von Distichen innerhalb der letzten Ausgabe der Financial Times Deutschland (…)“), manche aus Lego-, Barbie-, Playmobil-Figuren, angeordnet und abfotografiert im Grünen. Der Band bietet gebildeten Humor bzw. Gebildeten-Humor, ohne aber bildungsbesoffen zu sein, d.h.: Was daran lustig ist, das erschließt sich uns auch, wenn wir nicht jeden, oder auch nur jeden zweiten, LitWiss-Fachschaftswitz als solchen erkennen, und der Bonus-Track bleibt also erfreulicherweise ein solcher. Das Zitat1 auf dem Backcover verheißt:

„Es ist ein großer Abgesang auf das schöne Buch alten Zuschnitts, kein Gedichtband, sondern eher ein Gedankenbuch, harte Rhapsodie.“

Konstantin Ames scheint jedenfalls getreu der Maxime zu handeln, jede Permutation seines Materials durchzuführen, die sich „im Vorbeigehen“ noch mitnehmen lässt – Servierbeispiel:

Man fängt so  an/ders.

–  ohne dabei übertriebene Rücksicht auf konzentrierte Materialorganisation o.ä. zu nehmen. Das ist auch gut so, denn der „ernste Kern“ des Buchs – die faktische Kleinheit, Lächerlichkeit, Partikularität der europäischen (Stadt-) Landschaften angesichts jener „großen Ideengebäude“, mit denen sie von allerhand Ideolog(i)en in Eins gesetzt und zu Erinnerungslandschaften ausstaffiert werden (sollen) – wäre lyrisch wie humoristisch eher unergiebig. Das Spielerische erweist sich dagegen als die wahre Ideologiekritik – und ist von Ames durchaus absichtlich in diese Funktion gesetzt, wie an mehreren Stellen ausgestellt wird. Das geht von

Jedem Direktor sein eigenes
Gleiwitz. RTEs Gleiwitz
heißt Rotterdam. RTE ist
natürlich keine Abkürzung für
Ratte und reimt sich so ziemlich
auf RT, es fehlt nicht mehr viel.

            (Gefahr eines Augenreims<< 13.03.2017)

bis zu jener Assemblage, wo das Foto mit mit den Ortsschildern „Repente“ und „Heimland“ so überschreiben ist –

Factus est es gibt kein Bild dazu, doch Freundlichkeit,
Lump.

und folgendermaßen unterschrieben:

Klumpenweise. Blond ist die Schneise
            deiner braunen Freundin Lyrik.

… Das Ganze gipfelt schließlich in der der sechs Seiten langen (na sagen wir dazu:) Ballade „Man wird nur Ärger kriegen oder zu nah am Feld des Schweigens ernten“, die den Besuch …

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vademekum zu apesh*t

Das Hiphop-Gesamtkunstwerk, als welches wir die öffentlich ausgetragene Beziehungs- und Identitätskrise der Eheleute Carter bestaunen dürfen, hat nach Beyoncés “Lemonade” und Jay-Zs “4:44” ein drittes Kapitel: “Everything is Love“. Liegt eine damit abgeschlossene Trilogie vor? … Auf sehr altdeutsche Weise scheint sogar der Hegel’sche Dreischritt draufzupassen – von den “privaten” Emotionen der Alten (These) über die öffentliche Existenz ihres Hawis (Antithese) zur äh öffentlichen Zweisamkeit (Synthese).

Bereits für die beiden Soloalben galt, dass das Aushandeln privater-körperlicher-emotionaler Sachverhalte über die Bande von Einträgen in den Diskurs afroamerikanischer Identitätspolitik/en gespielt wurde – oder man liest’s umgekehrt, und das körperliche/emotionale Zeug ist nur als Begründungszusammenhang für pop-politisch/diskursiv intendierte Hervorbringungen da … Jedenfalls ist, was wir da haben, IdPol.

Jetzt kann man ja die konsequente IdPol-Haltung, wie sie vor allem in 4:44, und da wiederum vor allem in der Story of O. J. zu Tage tritt, fehlgeleitet finden: insofern sie sich zusammenfassen lässt als die Hoffnung, es ließe sich der blanke Kapitalismus gegen den gesellschaftlich verankerten Rassismus ausspielen; es könnte “Erfolg” zuerst individuell errungen und erst dann per auch ethnisch vermittelter Solidarität weitergegeben werden; es wäre, in letzter Konsequenz, an der real-oarschigen Klassenherrschaft hauptsächlich zu kritisieren, dass in den Aufsichtsräten und schicken Speckgürtelsiedlungen nicht eine genau paritätisch aufzuschlüsselnde Anzahl von Vertretern der verschiedenen ethnischen und religiösen Herkünfte bzw. der diversen Gender-Identities sitzen; als würden solche Ansätze nicht alles das, was sie loszuwerden antreten, erst recht zementieren, und zugleich noch die wahre Ungleichheit, den wahren Missbrauch im Kapitalismus als Naturgesetz verewigen …

Das kann man wie gesagt so sehen und auf Jay-Zs oben verlinkten, hervorragenden Track über O. J. einwenden. Man kann’s sogar noch viel weiter auseinanderklamüsern. Aber so hinterfragbar jede Theorie ist, so unhintergehbar als ästhetisches Dings eigenen Rechts zu behandeln ist die je ihr zugehörige Kunst. Die Katholiken beispielsweise können mit Fug und Recht sagen: “Wir haben keine Argumente mehr, aber kuckt mal: die Sixtinische Kapelle!” Ganz ähnlich verhält es sich nun mit der beschriebenen schwarzen/u.s.-liberalen/kapitalistischen IdPol einerseits und andererseits diesem Video, das als erster Auszug von “Everything is Love” auf Youtube erschienen ist – “APES**T“. Mit ihm ist nicht zu argumentieren. Es ist in seiner Spannweite, seiner Klugheit und seiner Wucht bloß pflichtschuldigst zur Kenntnis zu nehmen. Und das bedeutet auch: es sind die gezielt gesetzten kunsthistorischen Verweise des Videos mitzudenken.

(Ich warte hier, bis Sie, geneigteR LeserIn, das Video auch tatsächlich gesehen haben … fertig? – Gut:)

Wo sind wir? – (Zwischendrin …

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das gleichnis mit dem holzscheit. teil 2

was bisher geschah: in einem white cube mit „einer vielzahl österreichischer intellektueller“ darin erscheint als mene tekel, flammenschrift, ein textauszug aus dem neuen album des schlagersängers a. gabalier, in dem dieser die freuden der heimatlichkeit auf das denkbar stumpfsinnigste besingt, und zwar so, dass es von „ideologiekritischer“ parodie nicht mehr unterscheidbar ist. wir malen uns aus, wie die versammelten homini litterae reagieren – verfallen sie in panik und prügeln sich? kooperieren sie? vor allem aber: was ist das für ein erbärmlicher schaas, den sie da lesen müssen, wo kommt er her und was sagt er ihnen?

bevor die meisten österreichischen intellektuellen in jenem weißen weiten raume noch wirklich reagieren können auf die geisterhafte schrift vor ihnen an der wand – ja bevor sie’s fertiggelesen haben, das gedicht, das ihnen mit dem schlag der kuckucksuhr erschienen – passiert, mit den worten von wolf haas (ebenfalls im raume anwesend), schon wieder was:

irgendwo dröhnen motoren, nichtwahr, und ein jeder (…)

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das gleichnis mit dem holzscheit. teil 1

es hängt eine vielzahl österreichischer intellektueller in einem leeren weissen raum herum. man nimmt abwechselnd die rodin’sche denkerpose am jeweiligen kaffeetischchen oder den klassischen kontrapost ein; zweiterer bringt mit sich, dass die kolleg*innen mit ausdrucksvollen augen in eine ferne schauen, die sie wohl hinter (oder schlimmstenfalls in) jener weißen wand vermuten.

aus einem nebenraum ist leise, aber mit bestimmtheit eine kuckucksuhr zu hören. sie schlägt uns die stunde.

robert menasse runzelt die stirn. stefanie sargnagel hat vom herumsitzen einen krampf und schüttelt ihren linken unterschenkel aus. hans rauschers blick bringt zum ausdruck, dass er nicht weiß, wie er hier herein geraten ist. er hört auf, zu posieren, und macht sich auf die suche nach dem ausgang. zu diesem behuf quatscht einige kolleg*innen an, aber sie ignorieren ihn. jemand lässt, ganz anderswo im raum, einen hohen, langgezogenen pfurz. niemand in jener ecke bewegt sich auch nur einen millimeter. ronald pohl und michael scharang beäugen sich mißtrauisch.

hans rauscher hastet nun immer schneller hin und her. dabei stößt er in seiner hektik petra ganglbauer um, die auch bloß leise flucht. es scheint keinen ausgang zu geben. die wände sind glatt und weiß. die bodenkante entlang ziehen sich gute dichtungen. hahi haha.

hans rauscher sieht die vergeblichkeit seines treibens ein und belästigt niemanden mehr.

die meisten österreichischen intellektuellen verhalten sich still. was sollen sie auch tun. schön schaun sie aus. melodisch wabert, wie das meer, ihr atem.

mit dem letzten schlag der kuckucksuhr erscheint nun an der weißen wand eine flammenschrift:

groß ist nun das heulen und zähnefletschen. was wird weiter geschehen?

wird man (…)

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Bild: Facebook-Screenshot nach einem Artikel in der Printausgabe des Standard, hier -> auf derstandard.at nachzulesen, Text: Andreas Gabalier.

zu monika rinck, kritik der motorkraft

Ein Wort zur Aufmachung: Die (bisschen mehr als) achtzig Seiten dieses Buchs sehen ja, wie von Brueterich-Buechern auch sonst gewohnt, einnehmend gut aus. Aber sie sind leider wirklich gerade ein bisschen gar zu eng mit Blocksatzprosa bedruckt, um noch ohne Abstriche konsumierbar zu sein – Brueterich ist nicht Reclam, Zeilenabstände haben nichts an sich Verwerfliches, und der Mehraufwand an Papier, der mit ihnen einherginge, wird sicher nicht soo ins Gewicht fallen …

Nicht weniger dicht (aber in diesem anderen Zusammenhang erfreulich) ist der Inhalt dieser „Auto-Moto-Fiction in 13 Episoden“. Monika Rinck bürdet dem Fluss ihrer Prosa viel auf, sehr viel. Auch wenn es genug eindeutige Marker dafür gibt, dass wir es nicht mit einem planvoll sinnentleerten Rohrschachtest für die bereitwilligst interpretierenden unter den Lesern zu tun haben – Mitarbeit fordert uns das Ganze trotzdem ab. Es gibt …

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zu hendrik jackson, „panikraum“

Dieser Gedichtband umfasst, nebst „Interludien“, drei lange Arbeiten, bei denen man nicht recht weiß, ob man von „Langgedichten“ sprechen soll, von „Kapiteln“ oder „Gesängen“ … Gemeinsam ist ihnen jedenfalls, dass sie die Diskurs- und Realgeschichte(n) ihrer Gegenstände übereinanderlegen, also: auch außersprachliche Gegenstände haben.

„Russland-Transit“, der erste dieser Abschnitte, umfasst Reisegedichte aus russischen Städten; einige mit Anmerkungen, die das Zustandekommen der verarbeiteten Privatdiskurse zum Gegenstand haben; und irgendwoher anders, wer weiß woher, kenne ich zumindest dieses eine Tagebau-Gedicht noch, „Tscheljabinsk“, samt seinem bei Ernst Jünger (!) entlehnten Motto –

Das nächste Jahrhundert gehört den Titanen; die Götter verlieren weiter an Ansehen. (…)

– und erinnere mich noch gut an meine Überraschung beim …

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zu elke heinemann, „fehlversuche“

Im nun rasch anschwellenden Erzählfluss hat das Kind bereits sechs Jahre seines Lebens überlebt.

Dürfen wir uns, wenn wir solche Sätze lesen, schon an die österreichischen Siebziger Jahre erinnert fühlen? Also: Insofern wir es hier mit Sprache zu tun haben, deren stil- und strukturbildendes Lieblingsprinzip der Kippeffekt zwischen Inhalt und Selbstbezug ist, z. B. zur Vermittlung zwischen einer Innen- und einer Außenwahrnehmung? Das heißt: mit Sprache, der unter der Hand dasjenige, was in einem ersten Satz als poietisches-metaphorisches Annähern durchgeht, zum trocken beschreibbaren Gehalt im Folgesatz gerät … Texte mit solchen Verfahrensweisen umfassen dann naturgemäß einerseits jemandes Alltagsrede, andererseits die (Zweck-)Entfremdung derselben. Das vermutete man, siehe oben, in den Siebzigern, mal als das spezifisch Österreichische in der damaligen deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. In jenem Kontext verdankte sich diese Art der Sprachreflexivität eher einer Nähe von Literatur und, sagen wir, Kabarett (dh: Unterhaltungsbühne), aber: …

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die dritte halluzination / zur lage der nation: gartengnome, powerpoint und facebook

Zwei sorgfältig animierte Gartengnome mit detailgetreu im sanften Wind wippenden Wichtelmützen betreten den Parkplatz vor dem Vorgarten vor dem Mehrparteienhaus. Aus den zahlreichen Rosen- und Hortensienbüschen am Zaun dringt vielstimmig, gerendert als ein Summen von Insekten und ein Tirilieren von Vögelchen zugleich, das Eurovisions-Thema (“Dà-dáaa dáda dáaa-dàaa dáaa-dàaa / dáaa dádà dàdádá dàdàdádádà …”) und verstummt erst, da die beiden Gnome das Setup ihrer nun anstehenden Powerpoint[TM]-Präsentation abgeschlossen haben.

Es haben sich etliche größere Käferchen versammelt, um sich den Vortrag anzusehen, außerdem ein paar leicht zernepften Elfchen aus dem nahen Wäldchen, weiters zwei von den Kinderchen da aus dem Hause nebst Schoßhündchen, Kätzchen, Püppchen (das letztere in einem Leiterwägelchen, welches die Kinder nur mitgebracht haben, damit es die älteren Leser*innen umso unwiderstehlicher an ihre alten Kinderbilderbüchlein erinnere).

Effekthaschend schnepft einer der beiden Gnome mit einem Zeigestab auf die Leinwand, als dort die erste Powerpoint[TM]-Slide erscheint. Mit jeder neuen Slide klescht der Zeigestab des Gnoms erneut auf die Leinwand, sein Mützchen wippt dazu, und die Vögelchen in den Hortensienbüschen machen Soundeffekte. Ansonsten herrscht Stille überm Parkplatz. Angestrengtes Mitlesen setzt ein:

Überschrift: Warum Facebook oarsch für das gedeihliche Zusammenleben ist. Ein Beispiel.

Wir sehen einen Facebook-Thread, der mit dem Screenshot aus einer anderweitigen Unterhaltung beginnt, genauer: mit einem Zitat der Geschäftsführerin einer Bezirksorganisation der Jungen Volkspartei. Dieses Zitat (…)

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sexy containerschiffe

Der Verfasser dieses Gedichtbands, Sjón, ist mit Romanen und Gedichten in ungefähr eh alle Sprachen übersetzt, ist isländischer PEN-Präsident und war  Oscar(!) nominiert als Liedtexter für Björk. Ihre Sorgfalt im Umgang mit seiner poetischen Sprache bezeugen die beiden Übersetzerinnen Tina Flecken & Betty Wahl, indem sie ihre beiden abweichenden Übersetzungen eines überschaubaren poetologischen Dreizeilers nebeneinander stellen und uns so ihre unterschiedlichen „Ohren“ oder „Zungenschläge“ unaufdringlich zur Kenntnis bringen. Trotzdem liegt zwischen uns und Sjóns „bewegliche berge“ ein Hindernis:

Es ist nämlich – zunächst mal unabhängig davon, was sich im Fortgang der abgedruckten Texte  daraus entwickelt – nicht von der Hand zu weisen, dass viele Texte des Bandes mit der absichtsvollen Setzung eines ungebrochen „naiven“, oder sagen wir eines als „organisch“ gedachten Verhältnisses …

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zu: tau #1

Erstmal: Offenlegen, dass Fixpoetry zu dieser neuen Literaturzeitschrift, tau, deren erste Nummer eben erschien ist, ein doppeltes Naheverhältnis hat, nämlich zum einen  über die Person Jonis Hartmann, und zum anderen über die Verortung in Hamburg (wobei: eher unwahrscheinlich, ob letzteres mehr als ein bloß atmosphärisches Phänomen ist).

Dann: Fragen, was für Signale bzw. Impulse die Herausgeber*innen (laut Impressum verfasst als GbR) mit „tau“ setzen wollen. Es gibt „Tau von etwas haben“, und es gibt Tau als das morgendliche Kondensat auf Wiesen, das ohne Regen (dh. sichtbares Ereignis) den Wasserkreislauf aufrecht hält. Zögen wir das zusammen, hätten wir ca. „von selbst wirksame Ahnung“, oder „unscheinbare, aber wirkmächtige Kompetenz“. Das wird’s sein. Die 184 vortrefflich designeten Seiten (ermunternd leuchten die Zwischentitel!) versammeln hauptsächlich Autoren der nichtmehrganz-aberschonnocheher-jungen Generation, sagen wir mitte-ende Achtziger geboren, wobei: Es handelt sich eher um ein zufällig wirksames Netzwerk als um eine vorsätzliche Spielvorgabe, denn nicht nur gibt es Ausnahmen, die nicht weiter als solche auffallen, sondern gerade einer dieser Ausnahmen ist es, der wir eine etwas explizitere programmatische Ansage entnehmen. Denn zum Abschluss finden wir einen Text von Franz Jung (1888-1963) abgedruckt, der sowohl in der Art seiner Welthaltigkeit als auch in seiner Formbetontheit bruchlos ins Jahr 2018 passt, soweit das in „tau“ zu überblicken ist. „Nichts Neues unter der Sonne“ also, tau? Ist das so gemeint? Was wir nicht finden, ist …

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zu: eribon, gesellschaft als urteil

Zuerst erscheint uns, wir hätten es mit einer losen Sammlung an anekdotischen Fußnoten und Nachträgen zu Entstehung und Edition des soziologischen Bestsellers „Rückkehr nach Reims“ zu tun, der (zumindest im deutschen Sprachraum) Didier Eribons Ruf bei einem breiteren Publikum begründet hat. Nicht abwegig erscheint es, bei der Lektüre des ersten der drei Abschnitte in dem Vorliegenden die präliminarische Materialiensammlung zu einer Selbstbefragung zu sehen, betreffend die Bedingungen jener anderen, vorhergegangenen Selbstbefragung. Aber – wir sind auf dem Planeten französischer Theorieschreibe – an den Details der einzelnen Formulierungen der Selbstbefragung, und am anekdotisch „Dahinerzählten“ hängt voranschreitende Theorie, wie andersherum an der Theorie klarer erkennbar als im z.B. deutschsprachig üblichen akademischen Schreiben gesellschaftliche Parteinahme hängt. (Das hat dann mit dem Band selbst wenig zu tun, aber: Registrieren wir da so etwas wie die Effekte eines verhältnismäßig klaren, eines unproblematischen Begriffs vom gesellschaftlichen Ort der Diskurssphäre, davon, was vom Intellektuellen als Typus zu erwarten wäre und wie, im weitesten Sinne, Sprache und soziale Wirklichkeit aufeinander bezogen sein können?)

Nun gibt es von ausgerechnet literaturkritischer Seite in doppelter Hinsicht wenig zu „Gesellschaft als Urteil“ zu sagen: …

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hausacher stadtschreiber-tagebuch (9) – re: kein schwarzwaldgedicht

Ach du zauberische Starkstrominfrastruktur, unter den Frühlingswiesen trafowärts surrend, und ach du sehr geehrte gute Blumenduftluft! Es sagt zu mir die Nachbarin von gegenüber meiner Hausacher Gastwohnung, ich soll mich melden, wenn ich mal ein Schwarzwaldgedicht fertig habe. Ich aber habe so etwas nicht wie ein Schwarzwaldgedicht. Oder, mit den Worten des (auch) Portraitmalers Otto Dix, »schön werden’s bei mir nicht«, und deshalb lass ich’s dann meistens lieber bleiben, Landschaften-als-solche und die Leute in den solchen Landschaften zu besingen. Was können, beste Kabel, die schon dafür?

Sagen wir (summsummsumm) es kommen als Schwarzwald-Besingsang-Thema die Greifvögel in Frage …

zu: niederberger, „misteln“

Zunächst ein Wort zum Format: Das kleinformatige Büchlein hat ein sinnvoll austariertes Layout – drei Erzählungen finden auf minimalem Volumen Platz, ohne dass wir das Gefühl haben, ein kleinklein bedrucktes, leicht zerstörbares Reclamheft in der Hand zu halten. Man merkt den verlegerisch-designorientierten Ehrgeiz, sieht auf der Verlagshomepage nach und darf berichten, dass die edition mosaik zumindest zu beabsichtigen scheint, bei dieser Aufmachung zu bleiben (will sagen: es ist 2018 neben dem vorliegenden Band von Niederberger noch ein zweiter, von Franziska Füchsl, erschienen).

Zum Buch selbst: Es umfasst drei Erzählungen, von denen die erste mit zwei Dritteln des Umfang die mit Abstand längste ist. Der Titel, „Misteln“, verweist uns sogleich ins Reich der Pflanzenmetaphern, Abteilung Ethnopharmakologie – Gift und Medizin / germanischer Weltenbrand und Coca-Cola-Weihnachtsküsse / das Parasitäre und der Zier-Zuchterfolg / … – uns werden also Stories …

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gesprächsverlauf, betreffend 1 dissens, betreffend 1 weiße fahne

erstens: frage: worum geht es? antwort: um das da auf dem bild:

zweitens: 20. 04., stefan schmitzer: weiße fahne, schwarzes herz, zensur

drittens: 23. 04., barbara steiner: Diskurs? Diskurs! Zur„Weißen Fahne“ von TEER

viertens: hier/jetzt:

Sehr geehrte Barbara Steiner!

Vorweg: Danke für Ihre Antwort auf die von mir vorgebrachte Kritik; es macht einen großen Unterschied, ob ich in den zufälligen Hallraum einer abstrakten Leser*innenschaft hinein über eine Arbeit spreche, oder ob es sich um ein Gespräch mit einer konkreten anderen Person handelt.

Dann: Bevor es hier um die „Weißen Fahne“ selber gehen kann, komme ich nicht umhin, über das Reden über das Reden zu reden1, dh. auf die Postskripten Ihrer Antwort mich einzugen. In Postskriptum 2 schreiben Sie zum Einen:

Warum nimmt der Autor vorauseilend an, dass wir als Kunsthaus an „ernstlichen Gesprächen“ nicht interessiert seien? Das Gegenteil ist der Fall.

Nun nimmt der Autor das nicht an und schreibt das auch nirgends. Worauf jene Textstelle sich – wie ich gehofft hatte, deutlich und ausschließlich genug – bezieht, ist der bekannte Typus von Gesprächsverläufen auf z. B. Facebook, der sich oft genug entfaltet: Jemand erfrecht sich, die Richtigkeit oder Angebrachtheit irgendeiner Äußerung in Frage zu stellen, und die Antwort ist eine Abdichtung jener Äußerung gegen die Kritik, indem diese Kritik als „Intoleranz“ bzw. „Zensur“ identifiziert wird. Es finden sich mehrere gute Beispiele dafür auch unter dem Link zur „Weißen Fahne“ auf der Facebookseite des Kunsthauses (was freilich nicht den Kurator*innen anzulasten ist; sagt auch niemand).

Im Postskriptum 1 hinwiederum fragen Sie, ob es nicht

ziemlich diskreditierend [sei] Künstlern (TEER), die sich engagiert und auch kritisch mit gesellschaftlichen Fragen (ob Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen am öffentlichen und kulturellem Leben oder das Erbe des Nationalsozialismus) befasst haben und befassen (wie Wolfgang Temmel) so salopp, quasi im Darüber huschen, „Trickreichtum“ zu unterstellen?

… und das, ‚tschulligen, geht davon aus, es wäre „Trickreichtum“ schlecht und nicht gut, das Wort selbst sei schon Polemik, und – was mir am Wenigsten einleuchtet – es gäbe einen Gegensatz zwischen gesellschaftlichem Engagement und der „trickreichen“ Beherrschung künstlerischer Stilmittel. Wenn die Rezension über einen meiner eigenen Gedichtbände so beginnen würde wie mein Text über die „Weiße Fahne“ –

Trickreich trickreich, bzw. “g’lernt is’ g’lernt”, wie durch so einfache Mittel […] dieses Überangebot an Interpretationsoptionen (…)

– dann wüsste ich zwar, gleich kommt das „aaaber“ des Kritikers, doch immerhin seinen ersten Satz kann ich auf der Habenseite verbuchen … Nicht nur habe ich nichts gegen Wolfgang Temmel oder TEER – wie käme ich auch dazu? – ich maße mich auch nicht an, ernstlich etwas über die ursprüngliche Arbeit von 1987 zu schreiben.

Da alles dieses abgehakt ist – zur Sache selbst: Weiße Fahne 2018.

Ich schrieb, ich fände ein Hakenkreuz im öffentlichen Raum, kontextunabhängig, auch als Swastika gedreht, unerträglich; und wies darauf hin, dass das Spiel mit Ambivalenzen und unscharfen Bedeutungen 2018 – anders als 1987 – nicht mehr bloß eine legitime ästhetische Strategie ist, sondern auch als ein Machtmittel von ungeniert öffentlich präsenten Rechtsradikalen funktioniert; ich biete als ein Beispiel dieser Ambivalenzen das Wort „Ethnopluralismus“ aus dem Vokabular der Identitären an, aber es gäbe da noch so viel mehr. Sie antworten u.a.:

Die von TEER verwendeten Symbole (Kreuz, Pentagramm, Hexagramm, Hammer und Sichel, Swastika) sind nicht austauschbar, und schon gar nicht unschuldig, dazu haben sich bestimmte Bedeutungen viel zu sehr ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Jedes Symbol ist auf seine Weise kontaminiert, bei jedem haben sich im Laufe der Zeit bestimmte Bedeutungen (Hakenkreuz überlagert Swastika) in den Vordergrund geschoben und andere überschrieben. Dies hängt aber wesentlich davon ab wer mit welchem persönlichen und kollektiven Hintergrund wie darauf schaut.

Ich stimme Ihnen vorsichtig zu, gebe aber zu bedenken, dass in jenen letzten zwei Sätzen ein ganzer Berg an geschichtsphilosophischen Unwägbarkeiten eingefaltet ist; unter ihnen besonders wichtig die Frage, ob manche dieser Bedeutungen und persönlichen Hintergründe objektiv besser als andere dazu geeignet wären, gesellschaftliche Desiderata zu formulieren – oder ob das eben nicht so ist.

Klarer wird der Unterschied in unseren Auffassungen von Kunst in der Welt bzw. Welt in der Kunst, und damit auch von den je anzuwendenden Maßstäben, an anderer Stelle:

Den Vorwurf wir möchten den „Schrecken ‚fester Standpunkte und Ideologien’ hinter uns lassen, kann ich nicht entkräften. Natürlich kann ich jetzt nur für mich sprechen. Feste Standpunkte und Ideologien haben genau zu jenen Desastern geführt, die mit den hier gezeigten Symbolen verbunden sind: zu Kreuzzügen, Arbeits- und Vernichtungslagern, kriegerischen Konflikten, Menschenverachtung, Zerstörung und Tod. Eine ethische Haltung haben, sich verantwortungsvoll gegenüber Mitmenschen zu verhalten, sich sozial engagieren, ja unbedingt, aber wenn fester Standpunkt bedeutet buchstäblich unbeweglich zu werden, Annahmen über andere zu treffen, sich diesen „anderen“ nicht aussetzen zu wollen, Behauptungen in die Welt zu posaunen, Wertschätzung und Höflichkeit vermissen lassen – dann nein. Das erzeugt Verhärtungen und Frontbildungen, und das erscheint mir keine gesellschaftliche Perspektive zu sein.

Mir scheint, wir fürchten beide ein derzeit akut drohendes Abbrechen der Gespräche – den Niedergang der öffentlichen Sphäre. Ihnen, wenn ich richtig lese, erscheint dabei die Gefahr der unvermittelten Konfrontation bedrohlicher; mir dagegen die Gefahr, dass reale, materielle Frontbildungen sich verschlimmern, wenn sie unerkannt-unausgesprochen-unaussprechlich bleiben.

Und auf der Grundlage dieser Standortbestimmungen (oder halt anderer Standortbestimmungen, falls meine falsch sind) ließe sich dann im Einzelnen über die künstlerisch-ästhetische Dimension der „Weißen Fahne“ und ihre politischen Implikationen reden – also: Reden, nicht schreiben – und unser Dissens da sich immer genauer beschreiben. Bis er ggf. produktiv wird, der Dissens.


1 Ist das schon ein Sachzwang unserer Internet-Textkultur, deren Goldgrund unter den Diskursen vielleicht nicht den wichtigsten Unterschied zum ’87er-Kontext um TEERS „Weißen Fahne“ darstellt, aber doch mindestens einen deutlich sichtbaren? – dass jeder Text immer gleich mehrererlei Sets Metadata mitliefert, als sei er ein MP3-Track; und man diese besser gleich absortiert, bevor es mit ihnen verwirrend wird …

zu: horen #269, „die entführung aus dem serail“

Methodisch breitet das Vorwort des Mitherausgebers Bogdan-Alexandru Stănescu aus, was die zweihundertneunundsechzigste Ausgabe der horen leisten will. Was wir bekommen, soll ein Überblick über neueste rumänische Erzählprosa sein, und zwar genauer: Über solche rumänische Erzählprosa, die aus dem Kraftfeld der seit 2004 stil- bzw. zumindest identitätsstiftenden Edition „Ego. Proza“ stammt, und damit jedenfalls aus den beiden distinkten Netzwerke zeitgenössischer rumänischer Literatur (eins verortet in der Stadt Jassy, das andere an der Uni Bukarest); nur vollständige Erzählungen, keine Auszüge aus Romanen; weiters

auf Ersuchen der deutschen Verleger [vor allem] (…) Geschichten, (…) die ein nach Möglichkeit realistisches Bild der gegenwärtigen rumänischen Gesellschaft zeichnen, die seit drei Jahrzehnten in ständiger und stetig bestürzender Umwälzung begriffen ist.

Nun wäre über die Sinnhaftigkeit und über die Implikationen dieses Ersuchens gesondert zu diskutieren. Erstens: Sind Textbeiträge in Literaturzeitschriften der beste Platz, außerliterarische Wirklichkeiten bekannt zu machen? Zweitens: Ist der Entsprechung manifester Erzählinhalte mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu trauen? Und drittens: …

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weiße fahne, schwarzes herz, „zensur“

Diese Installation der “Weißen Fahne” von Wolgang Temmel und Fredo Ertl vor dem Kunsthaus … Trickreich trickreich, bzw. “g’lernt is’ g’lernt”, wie durch so einfache Mittel – vermittels einer weißen Fahne, eines (vermutlich) Videobeamers und fünfer einfacher Symbole – dieses Überangebot an Interpretationsoptionen vor und neben das Kunsthaus platziert wird …

Nämlich erstens: Eine weiße Fahne, für sich genommen also ein noch unbearbeitetes Stück Stoff, das tausende Möglichkeiten bietet, aber im kulturell lesbaren Kontext selbst bereits Symbol, nämlich Symbol der Kapitulation (ohoho) vor was auch immer …

Zweitens: Die Symbole, Pentagramm – Halbmond – Davidsstern – Swastika – Hammerundsichel – Kreuz, wie sie, laut dem Erläuterungstext auf der Kunsthaus-Homepage, “Macht” repräsentieren; und ach sieh mal, wenn wir sie auf die Fahne projezieren, dh. in gerade diesen vorgegebenen Kontext setzen, erscheinen sie plötzlich austauschbar, und Macht-selbst, Formgebung-selbst, Grenzziehung-selbst ist, was (einen unschuldig-amorphen Urzustand be-) siegt …

Dann drittens: Dass das, was von der gegenständlichen Fahne tatsächlich unschuldig-weiß bleibt, grade die Form der Machtsymbole ist, und das Drumherum dagegen sich verdunkelt, sich also auch noch die ambivalente Leseoption auftut, es wäre in Wahrheit die jeweilige Machtvariante, Machtausübungsvariante, indentifizierte Gruppe, die kapituliert … Es kapitulierten mithin alle, alle Menschen, weil “wir alle” als Machtsymbolbesitzer irgendeiner Art uns sehen, irgendwelchen Gruppen angehörten usw. …

Viertens hinwiederum: Dass dieser ganze bis hierher geschilderte Interpretationssalat eine historische Dimension hat; dass die Arbeit 1973 schon einmal, und in ein ganz anderes Graz gestellt worden war damals. Wir fragen uns dementsprechend, ob uns die Kurator*innen des Kunsthauses damit wohl sagen wollen, es sei diese ganze triumphale “Weiße Fahne” der Unbestimmtheit und Ideologieskepsis inzwischen – 2018 – wiederum als historische zu einem Machtsymbol auf dem amorphen Untergrund des Stadtraums-im-Wandel geworden … Bzw. es habe irgendeine andere Sorte Sieg/Niederlage/Formbestimmung stattgefunden an der Ecke, wo wir die Fahne stehen sehen … oder sind das schon Überreizungssymptome auf unseren Kunstschnöselgehirn-Temporallappen?

Wie gesagt: G’lernt is’ g’lernt. Die “weiße Fahne” ist als Kunstwerk und Gegenstand kuratorischen Zugriffs durchaus nicht uninteressant; erzielt viel Bedeutung mit wenig Aufwand. Gleichzeitig ist sie unerträglich, genauer: ist es unerträglich, wenn …

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hausacher stadtschreiber-tagebuch (7) – re: thomas bernhard

Das werden Sie nicht wissen, verehrter Eichenbaum ganz oben auf dem Burgberg (… der heißt doch Burgberg, oder; also: hinten rauf das Gipfelchen?); das wird auch Sie, oh Relieffigur auf jener alten Quelleneinfassung, wo ich mich jüngstens wiederfand, kaum interessieren, aber: stellen Sie sich einmal vor:

Es war einmal ein österreichischer Schriftsteller, der hieß Thomas Bernhard. Thomas Bernhard war zwar ungesund fasziniert von jenen Restchen adeliger Lebenskultur in Österreich, denen weder die erste Republik, noch die Hitlerei, noch auch das Habsburgergesetz der zweiten Republik den Garaus hatten machen können (Kurzfassung: »Auf dem Papier« gibt’s zwischen Neusiedler- und Bodensee keine Adeligen mehr.

Du kannst Dich »Graf« oder »Freifrau« oder so nennen ODER Du kannst Österreicher sein, nicht beides; aber nicht alle Schlösser und nicht alle angestammten »Verhältnisse« wurden restlos genug entsorgt; auch gibt es Kreise, die das Verbot schlicht ignorieren – das sind dann freilich anders Gestörte als Ihre-hier p. t. bundesdeutschen Blaublüter, aber von dieser Schrulle abgesehen war der Thomas Bernhard eine stabil erfreuliche Figur, verlässlich gegen das Schlechte und für das Gute (das heißt in Österreich: Eh gemütlich gegen alles).

Für zwei Eigenheiten waren seine Bücher besonders bekannt: Erstens die besonders langen, absichtlich komplizierten Sätze, und zweitens die besonders wiederholten, absichtlich abstrusen Übertreibungen. Seine Bücher waren meistens tendenziell lustig gemeint und wurden stets verlässlich als feierlich-dramatisch-ernsthaft missverstanden. (Auch, weil sein Sinn für Humor äh . . . wenig mehrheitsfähig war – und Bernhard hat’s den Leuten natürlich nicht ausgeredet, seine Bücher ernst zu finden . . . war ja sein Geld.)

Anyway. Es schrieb der Bernhard mehrere Theaterstücke. Eins davon hieß »Heldenplatz«. Darin ging es um alte und neue Nazis in Österreich; um die Begeisterung »der Leute« auf dem, wenig überraschend, Heldenplatz in Wien, anlässlich des Anschlusses ‹38; darum, wie der Unfug in Familienstrukturen fortlebt. Es wurde damals, bei der Uraufführung im Burgtheater, protestiert; gegen die »Nestbeschmutzung« durch die »Elitenkultur«, die Herablassung »der Intellektuellen«, die glaubten, sie seien was Besseres, und für die offenbar ein jeder Patriot ein Nazi sei.

Beispielsweise standen auf dem Balkon und in den Logen damals junge Menschen mit lustigen Fantasieuniformen, die das Stück aus den genannten Gründen ausbuhten (und immerhin: sie ließen sich’s den Preis je einer Eintrittskarte kosten). Einer dieser damals jungen Menschen ist lustigerweise der jetzige Vizekanzler der Republik Österreich – wie das Schicksal so spielt, nichtwahr, Schwarzwald-Wald? –, der auf anderen privaten Fotos aus jener Lebensphase zu sehen ist bei paramiltärischen Übungen, pardon, falsch, das heisst ja jetzt »beim Paintballspielen«.

Übrigens: Eine der bekannteren der besagten Übertreibungen von Thomas Bernhard, du lieber Eichenwald ob der Hausacher Burg, stammt nicht aus »Heldenplatz«, sondern aus dem Dramolett »Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen«. Sie ermöglicht dort, als eine besonders erkennbar übertriebene Übertreibung und obendrein besonders lustig verkürzte Verkürzung, dass sich der »Nestbeschmutzer« Bernhard über seine eigene Rolle im zeitgenössischen Österreich von 1986 lustig machen konnte. Wir lassen, 2018, die übertriebene Übertreibung mal so stehen, du liebes Blätterwerk im Frühlingslicht, und kontemplieren die Veränderlichkeit der Verhältnisse, ja?

PEYMANN (tritt mit mir in die Zauberflöte ein, und wir setzen uns, nachdem er die Speisekarte gelesen und sich etwas ausgesucht und sich in der Zauberflöte umgesehen hat): Wer ist denn das?
ICH: Der Vizekanzler / ein Nazi (…)
PEYMANN: Und die dort?
ICH: Das sind lauter Nazis.
PEYMANN: Und die andern?
ICH: Das sind lauter Dummköpfe und Nazis.
PEYMANN: Und die Kellnerin?
ICH: Die ist katholisch und kennt alle und weiß von nichts.
PEYMANN: Na dann bestellen wir doch einfach Rindsuppe […]

zu poetin nr. 24

Stets wieder erfreulich an der Hauszeitschrift des poetenladens, „poetin“, ist ja die berechenbare, gleichbleibende Gliederung in Geschichten – Lyrik – Gedichte und Kommentare – Gespräche. Sie ist so berechenbar wie der Umstand, dass gerade dieser Rezensent (=ich) mit grade dieser Art von Prosa, wie grade dieser erste Teil sie jedes Mal beinhaltet, wenig anfangen kann. Da braucht (=sollte) in jenem Zusammenhange gar kein Generationen- oder selbst Geschmacksdissens ausgerufen werden – da geht es um ein instinktives Misstrauen gegenüber dem allzu Greifbaren, allzu optimiert Allgemeinverständlichen, dem vorbegrifflich organisierten Stoff; um Mißtrauen gegenüber der Übernahme – als „Psychologisieren“ – von Selbstverständlichkeiten aus den besseren US-Fernsehserien in die Prosa, selbst und gerade, wo diese Prosa intelligent, gut gemacht, formal oder inhaltlich komplex ist … was hier natürlich durch die Bank zutrifft. (Würde man freilich gleich so naheliegend wie taxfrei was von „Durchprofessionalisierung“ und „Schreibinstituten“ schimpfen, wenn einen dieses Misstrauen übermannt, fände man sich, sehr zurecht, zu den unsystematisch schimpfenden Senior-Muppets auf die Galerie gesetzt.) (Meine subjektiven) Lichtblicke diesmal: Lea Sauer – thematisch laaangweilig, aber formal und storymäßig zwingend – und das Autor*innenteam Astrid Dehe/Peter Engstler, deren Prosa sich als einzige hier zumindest nicht komplett bruchlos zu identifikatorischem Lesen eignet.

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hasuacher stadtschreiber-tagebuch (6) – re: „zu attraktiv“

Ach Monsignore Tagpfauenauge! Ihro Unnahbarkeit, Infantin Zitronenfalter! Hochwohlgeschlüpfte Hummelkönigin nebst kommendem Hofstaat im Garten vor dem Molerhiisle! Es ist ja so, dass der Menschen Lebenszeit begrenzt ist, ganz wie die Eure, bloß so viel schlimmer, wie unser Bewusstseins von dieser Begrenztheit uns so giftig sticht, nicht wahr … und da ist es zum Beispiel mir, zum Beispiel hier, beinah unmöglich (weil nämlich, angesicht des unerbittlichen Tickens der Sekundenzeiger überall, unsagbar wurscht) – noch einmal die ganz genau korrekte Quelle für den jüngsten, oder auch den zweit-, oder den siebtjüngsten Unfug rauszusuchen, den die politische Kaste in Österreich gerade wieder mal verzapft oder gemacht hat.

Welches der genaue Kontext war, in dem Bundeskanzler Sebastian »Die Kindliche Kaiserin« Kurz höchst persönlich davon sprach, es wären unsere Sozialsysteme »viel zu attraktiv für Migranten« – was weiß ich jetzt noch. Meint er mit »uns« Österreich, meint er ganz Europa? Es ist mehr als zwei Tage her und gar zu doof. Man kanns googeln, meine lieben Schmetterlinge und Bienenartigen. Ich muß deshalb nicht. Ich muss mich bloß mit dem Gedanken anfreunden, dass das alles noch ziemlich ungemütlich wird … wobei: Meine ich Österreich? Meine ich Europa? …

Lassen wir uns das auf der Zunge, dem Schmetterlingsrüssel, dem Hummelmund zergehen: »Unser Sozialsystem ist zu attraktiv für Migranten.« Jetzt unabhängig von migrationspolitischen Maximen, unabhängig selbst von so semantischen Pingeligkeiten wie dem Rechtsstaat – wenn Kurz just mit diesen Worten ausdrückt, was er glaubt, dass es die Mehrheit denkt – merkt er nicht, was er da sagt?
nämlich: »Lieber pleite als gastfreundlich?« …

oder: »Lieber die Alpentäler voll verarmter Inzuchtopfer, die nie der ungeheuerlichen psychischen Belastung ausgesetzt waren, einen Kerl aus Nigeria aus der Nähe zu sehen, als dass am End’ einer, dessen Urgroßeltern nicht von hier sind, eine Impfung gratis kriegt!«

beziehungsweise.: »Schatz, lass uns die Kinder täglich grün und blau schlagen, dann kommen sie nicht auf die Idee, Schulfreunde nach Hause einzuladen, und wir haben eine Ruh’!«

oder: »Au ja, wennn ich mitten in mein Wohnzimmer scheiße, werden die letzten Gäste wohl endlich gehen!«

(oder er merkt’s; und eben drum sagt er’s? Aber wer wäre dann der Adressat? Was wäre der Gewinn?)

(Nebenbei: Eine zweite, ganz anders geartete Vorkommnis des Gedankens, da wäre was »zu attraktiv«, ist in der österreichischen Innenpolitiksimulation des letzten Jahrzehnts aktenkundig. Karl-Heinz Grasser, ehemaliger Finanzminister [Kabinett Schüssel, Projekt Schwarzblau eins] und seitdem regelmäßig Gast vor diversen Gerichten und Untersuchungssausschüssen, bisher NICHT verurteilt wegen allerkreativster Umleitung von öffentlichen Geldern in die privaten Taschen seiner Freunde und Verwandten – es gilt die Unschuldsvermutung – und ausserdem ein fürchterlich eitles Narzisserl, das als aktiver Finanzminister für oben-ohne-Glamourshots posierte …

Dieser Karl-Heinz Grasser also, in einer Fernsehdiskussion über die genannten Anschuldigungen, verlas den Brief »einer einfachen Wählerin« [war’s seine Frau, war’s seine Mutter?], die ihm ob der »Verfolgung« durch die »Neider« Mut zusprach [Wiederum: Das genaue Zitat zu googeln kann mich niemand zwingen, aber es ging circa so]: »Sie sind zu klug, zu schön, zu talentiert, das wird Ihnen nicht verziehen.«)

zu almadhoun, „ein raubtier namens mittelmeer“

Diese Sammlung von Gedichten aus zehn Jahren ist organisiert als ein Fortschreiten aus der (relativen) Gegenwart von 2016 – „Damaskus entfernte sich“ – in die Vergangenheit – „Für Damaskus“ (2006). Almadhoun spricht über Städte (ihnen voran die „Pole“ Damaskus und Stockholm) und meint Frauen; bzw. spricht über Frauen und meint Stationen seiner Entwicklung als Autor und Leser; bzw. spricht über Stationen seiner Entwicklung und meint (wie man für den meist wohl nicht von Krieg und Flucht geprägten deutschsprachigen Leser ggf. nochmal extra erwähnen muss) ganz handgreiflich die Stationen seines Exils, seit er Damaskus verlassen musste (… und selbst Damaskus erscheint, wenn man mitbedenkt, dass Almadhoun aus einem der palästinensischen Flüchtlingslager in Syrien stammt, als zumindest prekäre Heimat).

Die Wirklichkeit von Krieg, Flucht und massenhaftem Ersaufen im Mittelmeer ist in diesen Texten so präsent wie die Wirklichkeit von Supermarkteinkäufen und Besuchen in der Wohnung einer Geliebten; Worte wie „Gewehr“, „Plastiksprengstoff“ und „Folter“ sind bei Almadhoun nicht bloß Teil des Metaphern-, oder Bildungsgüter-, oder Geschichtsbewusstseinsvorrats, sondern er hat das zweifelhafte Privileg, dass sie in seiner Dichtung in in die Ablage mit den Lebenswirklichkeiten gehören. Das ändert, wie wir ihn lesen. Wir sind in der deutschsprachigen Gegenwartslyrik gewohnt, wenn schon, dann aus irgendwelchen Details, die „wir“ kennen (von der Rolltreppe als geradezu Topos war schon in der ersten Lyrik-von-Jetzt-Anthologie die Rede, oder?) etwelche Schrecknisse bzw. Welt-Unordnungen zu extrapolieren; bzw. solche mehr metaphorischen Alltagstopoi neben mehr expliziten Bezeichnungen für „Worum’s geht“ stehend zu finden. Hier aber haben wir dagegen eine Sprache und eine Sammlung an Gedichten, in der der Vorrat an erwähnten Sachen (also: von der Folter der Freunde im Krieg bis zum Falafelrestaurant in Stockholm) sämtlich konkret ist und die Dinge nicht je für ein Anderes, Eigentliches stehen, sondern wechselseitig …

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hausacher stadtschreiber-tagebuch (5) – re: störende energie

Hearst, Oider! Lustige Geschichte . . . Zuerst ist rausgekommen, dass man bei irgend so einem Krankenhausbau in Ostösterreich, was warn’s, 93 000 Euro Steuergeld für einen »Energetiker« ausgegeben hat, der »die Baustelle entstören« sollte. Dann ist rausgekommen, dass das weder die einzige Baustelle, noch auch nur die einzige Krankenhaus-Baustelle in Österreich war, wo irgendwelche Schwingungsspezialisten Geld aus Luft zauberten (es gibt ein Pressefoto, mit so mannshohen Wellblechskulpturen, die einer wo aufgestellt hat gegen negatives Bimbam – im Auftrage immerhin politisch besetzter Aufsichtsräte). Dass es sich, mangels überprüfbarer Arbeitsprodukte, bei »Energetik« in diesen Größenordnungen schlicht um ein besonders geeignetes Korruptions- und Kickbackvehikel handeln könnte – auf d i e Idee kommt die österreichischen Öffentlichkeit, die alte Unschuld vom Lande, bis heute nicht.
Sogar, dass sich der von der Wirtschaftskammer anerkannte Berufsverband der Energetiker zu Wort melden durfte: »Das war keiner von uns!« . . . und DANN, lieber Osterhase, ist nebenbei auch rausgekommen, dass die Wirtschaftsministerin der Republik selbst einen entsprechenden Gewerbeschein besitzt.

Wirklich. Ministerin Margarete Schramböck, vormals A1-Telekom-Managerin, ist als Humanenergetikerin laut Gewerbeschein berechtigt zur »Hilfestellung . . . mittels Wahrnehmung raumenergetischer Phänomene, durch Berücksichtigung von Planetenkonstellationen und lunaren Energien« (die drei Pünktchen im Zitat repräsentieren ca. zwanzig Zeilen des allerverderblichsten, um nicht zu sagen lunarsten, Kristall- und Wünschelruten-Wortsalats).

Es handelt sich um dieselbe Ministerin Schramböck, die vor nicht allzu langer Zeit den Plan ventilierte, die Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Arbeitssuche zu verschärfen, genauer: Die Bestimmungen betreffend des zumutbaren täglichen Arbeitswegs. Vier Stunden gesamt täglich sollten schon drin sein, so die Ministerin, denn, und das hat die Energetikerin und zur Wahrnehmung raumenergetischer Phänomene laut Gewerbeschein Berechtigte tatsächlich öffentlich gesagt: »Und wir haben die digitalen Medien, es gibt keinen Grund mehr, heute zu erklären, ich kann nicht mit meinen Freunden in Kontakt bleiben, weil das findet digital statt.«

So stellen wir uns denn ein raumenergetisches Phänomen vor, dass sicherlich der Entstörung der lunaren Energien in Österreich und im befreundeten Ausland dienlich wäre: Einen kristallschwingungs-chakra-fengshui-mäßig genau austarierten Zauberkreis aus S-Bahn-Schienen und Asphalt, circa 100 Kilometer Umfang, immer rundherum und rundherum, irgendwo im Alpen-Nichts (ei wie schon alleine das Errichten dieses solchen Energiebimbams den Wirtschaftsstandort förderte, nicht wahr?).
Und dann setzen wir die astrologisch-energetisch gesehen genau richtigen Langzeitarbeitslosen mit ihren Handys und Tablets hinein in den großen alpenländischen Entstörkreis, W-LAN ist vorhanden, es gibt ein Buffet im hinteren Zugteil, Luxusluxus, und lassen sie im Kreise fahr’n, die armen Schlucker; das ist jetzt ihr Job; Achtstundenschichten; rund um die Uhr in Betrieb.
Frage: Was für Raumenergien bewirkt dann dieser Sonderzug, oh Entstör-Visionär? – Antwort: Solche Energien, Oider, gib Dir – solche Energien, die sich, genug entstört, zum Geist und Wiedergänger von einem dieser großen (dortseits) sehr verehrten Helden der politischen Reaktion zusammenballen; der dann im Mittelpunkt des Schienenkreises im Alpenlandschaftsnichts entstehe: Strauss, oder Hayek, oder die alte Hexe von der Downing Street persönlich . . . Und dieses Gespenst, es könnte dann Frau Bundesministerin Schramböck heimsuchen und dergestalt beraten, glaubwürdig beraten, checkstu, Oider?!, dass sie doch bitte zumindest versuchen möge, ihren Zynismus nicht so offensichtlich vor sich her zu tragen.
Dann bräche das Gespenst in fühürrrchterliches Lachen aus, woraufhin Frau Bundesminister Dr. Margarete Schramböck endlich, endlich wieder aufwachte, getrieben von dem plötzlichen Bedürfnis, in der englischen Wikipedia das Wort »dickensian« nachzuschlagen.

hausacher stadtschreiber-tagebuch (4) – re: der leguan sagt nichts

Hausacher! Mitbürger! Freunde! . . . diese eine Schlagzeile auf Bloomberg News, von, wann war’s?, plus-minus zwanzigstem März, sie ging circa so: »[Amazon-Gründer] Jeff Bezos nimmt den ›Buzz Aldrin Space Exploration Award‹ entgegen und isst bei der Gala ein gegrilltes Iguana.« Es gibt dazu ein Foto (mit Bezos, Iguana, lila Deko-Blumen), das in den Schulbüchern des dreiundzwanzigsten Jahrhunderts als Symbolbild für Dekadenz, und Klassenherrschaft, und den bemitleidenswert umfassenden Realitätsverlust der klasse Herrschenden im frühen einundzwanzigsten Jahrhundert durchgehen wird.

Den »Award« bekam Bezos übrigens, weil er eine circa Fantastilliarde jenes Mehrwerts, den die Aufstocker*innen im Amazon-Versandlager erwirtschaften, und aber nicht bezahlt bekommen, in diverse Raumfahrtunternehmungen steckt, gesteckt hat oder noch zu stecken verspricht. Sprich: Es nahm der Bezos den Award entgegen in Stellvertretung für die Steuerzahler*innen jener Länder, die mit »erzieherischen« Sozialmaßnahmen (wie eben der Aufstockerei) noch umfassenderes und noch reibungsloseres Menschenschinden ermöglichen (. . . mit zusätzlichem Bonus: Dass die Geschundenen und ihre soziale Mitwelt zunehmend tatsächlich glauben, diese Schinderei geschehe so zu ihrem moralisch Besten . . .  wer arbeiten wolle, finde auch Arbeit . . . wer hingegen nicht arbeiten wolle, der werde sich auch jede Sorte Volkszorn, jedes Straf-Phantasma verdient haben, das an ihm hängen bleibt) . . . ach . . . »Iguana, Iguana, what did you die for?« – Iguana said nothing at all.

(Iguana kam nämlich [da Iguana endlich fertig ward gegessen {da seine Leguanen-Lebens-Säffte in Jäff Bezos› Bauch drin sich zu Jäffen Bezos höchst eig’nem biologischen Bestandtheil-Süppchen hatten fertig transmuthieret}] in ewiglichen Jagdgründen zum Sitzen [in jenen ewiglichen Jagdt-Gründen nämlich, die der Herr Lucifer höchstselber kunstreich in die ewigliche Nacht gestellet {allwo die Leguanen, Leuwen, Pardel, wie auch die Oliphanten, Dodos, Unicorni (letztere meist von der Gattung Ceratotherii simum cottoni, nichtwahr?), allwo mit einem Worte also alle solchen Thiere sich zu sammeln kommen nach dem Tode, die von den, beispielsweise, großen weißen Jägersmannen mit den großen grauen Schießgewehren unter weiten blassen Steppenhimmeln totgeschossen wurden; oder von Wunderärzten aus dem fernen Oriente zu Tincturn bereitet; oder halt gegessen von, wie schon gesagt, Jeff Bezos zwecks Tabu-Magie und Überschreitungszauber bei der doofsten aller Preisverleihungen}],

Und in jenen ewigen Jagdgründen ist Leguan riesig, ist genau so riesig wie der Oliphant dort drüben, und es liegt um Leguan die weite, helle-trockene und aber sonnenlose Jenseitssavannah; und es spannt sich in den vage grünlichschimmernd leeren Jenseitshimmeln über Leguan nicht nur diese eine, diese zierlich-porzellanerne Zug[vogel{gleiche}]wolke, nein, da fliegen auch diverse Raumschiffe dahin und davon, bewegen sich auf bessere Planeten zu als immer bloß die alte trocken doofe Erde, und in den Schiffen reisen [weiß Oliphant, weiß Leguan] Roboter und übersexte hoffnungsfrohe Teenager aus aller Herren Länder, riesenhaft – sympathisch – vegetarisch,  und es wird dieses solche Schauspiel vor dem solchen Höllenhimmel [das nicht aufhört, nie] sein, das Leguan die nächsten langen Jahre über kontemplieren wird, während er wandert, Luft schluckt, schläft . . .

. . . und wartet: denn hier in diesem Jenseits sind [und werden sein] die großen weißen Jägersleute, und sind auch die Wunderärzte, so das Elfenbein verpulvert, und ist [abgesehen von denen noch {als seine eigene Ordnung sozusagen}] Jeff Bezos [wenn er denn jemals in die schwartze Nacht des schwartzen Luziferius eingehen sollte] klein, so klein und auf die selbe Weise jenen großen Tieren nützlich wie die Buphagidae [die Madenhacker aus der Ordnung der Sperlingsvögel {die aus den Rücken ihrer Wirtstiere die Parasiten picken, bis man sie verscheucht}]. So wird Jeff Bezos dann für immerdar und immerdar auf Iguanas Rücken Maden hacken, Schuppen putzen, Schorf vom Staube reinigen. An solches denkt mit langsamen Gedanken Iguana, da es tot ist. Und deshalb schweigt und lächelt es vorm Horizont des großen Menschheitsfortschritts in den Himmeln.)

zu gräf, „falsches rot“

Der Brueterich-Band von Dieter M. Gräf heißt „Falsches Rot“. Wir können also schon erahnen, wohin die Reise gehen wird: Sagen wir: Historiographie durch Lyrik, auf ungefähr 200 kongenial gelayouteten Seiten: eine museal  in drei „Räume“ gegliederte Schau, über (den Umstand, dass der) Sozialismus als Utopie und als Prozess seiner eigenen Verwirklichung (offenkundig in der Systemkonkurrenz des zwanzigsten Jahrhunderts weder in den Staaten noch in den Bewusstseinen gesiegt hat, und jetzt wäre natürlich interessant, wo im Einzelnen der Fehler lag). Das ist jetzt inhaltlich im Jahr 2018 nicht die originellste geschichtsphilosophische Spielvorgabe, aber Gräfs Buch funktioniert, weil es diese Vorgabe, als Explizierte, auf zwei Arten erdet:

Erstens über das konsequente Durchziehen poetischer Sprachorganisation – das führt hier zu einer dauerhaften Unschärfe zwischen Rhetorik-als-Sound und Sound-als-Rhetorik – und zweitens, noch wichtiger, über die Fokussierung auf bemerkenswert detailliert recherchierte und klar bestimmte Schauplätze, Stories und Protagonisten:

„Raum eins“ beginnt mit Münster, 1535 (Hinrichtung der Propheten des „Täuferreichs von Münster“); dann: herabgewirtschaftete Orte aus den mehr oder weniger umkämpften Restemassen des Ostblocks, denen neben dieser Gegenwart auch …

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hausacher stadtschreiber-tagebuch (2) – re: tal der ahnungslosen

Mein lieber Herr Gesangsverein, sehr geehrtes Tagebuch! Am 9. März gab es eine Diskussionsveranstaltung in Dresden, bei »unerwartet großem Publikumsinteresse«, da durfte ein bedeutender deutscher Schriftsteller einem maximal erregten Medienpersonal nebst angeschlossener Öffentlichkeit den Gedanken (mehr raunend andeuten als) darlegen, es herrsche Meinungsdiktatur in Deutschland. …WEITERLESEN

zu laor, „auf dieser erde …“

Die hier zweisprachig vorliegende Auswahl aus dem Werk von Yitzhak Laor umfasst Gedichte aus der Zeit zwischen 1979 und 2016, aus dem Hebräischen übersetzt und mit überaus nützlichen Anmerkungen versehen von Anne Birkenhauer sowie kommentierend benachwortet von Michael Krüger. Soweit wir solches aus der deutschen Übersetzung allein beurteilen können, entspringt diese Lyrik jemandes Alltag sprachlich wie thematisch recht geradeheraus. Laor verkitscht nicht; er geht neben den bedrohlich lastenden Großbrocken an gesellschaftlichen, kulturellen oder individuell-biographischen Themen auch gelegentlich das „Einfachere“ an, ohne in die eine oder andere Richtung den Bauchfleck eines merklichen Qualitätabfalls hinzulegen.

Besonders herausfordernd ist dabei an diesen Texten, dass sie gewissermaßen die spezielle sprach- und kulturgeschichtliche Situation des modernen Hebräisch greifbar explizieren: Ja, hier wird sichtlich von Lebenswelten gehandelt und in der Absicht gesprochen, auch verstanden zu werden – aber der Horizont, in Bezug auf welchen diese Texte Symbolisches, kulturelle Metaphernvorräte und Intertextualitätsoptionen aufmachen, ist der einer mehrere Jahrtausende alten Sakralsprache und des zu ihr gehörigen Textkanons.

Für den durchschnittlich ahnungslosen deutschsprachige Leser erscheint dieser Kanon trügerisch vertraut, wenn er etwa in Form der bloße Namensnennung einer der bekannteren alttestamentarischen Figuren daherkommt – wenn ein Gedicht etwa heißt „Dieser Dummkopf, Isaak“, dann haben wir eine ungefähre Vorstellung, auf welche Bibelgeschichte wir den folgenden Text beziehen und wie wir ihn präsent halten sollen. Aber der Kern der Literarizität von Laors Gedichten ist, dass sie deutlich komplexer funktionieren als über Alltagsschilderungen und bloßes Namedropping von jenen paar biblischen All-Stars, die man auch als, sagen wir, muslimisch sozialisierter Norweger noch auf dem Schirm hat.

Hier hilft auch die beste Übersetzung wenig: Wenn die Bezüge beispielsweise über grammatikalische Wendungen hergestellt sind, über Anklänge statt Nennungen, oder wenn man die jeweilige Bezugsgröße schlicht nicht (oder nicht als solche) erkennt, dann können wir uns zwar in ein paar Einzelfällen vom schon erwähnten nützlichen Anmerkungsapparat schlau machen lassen – aber wir bleiben auch dann mit der Einsicht zurück, dass uns die dargebotene Oberfläche der Übersetzung über weite Strecken opak bleiben muss, und zwar gerade dort in den Texten, wo „wir“ (dh: nicht-iwritsprachig, nicht im Detail mit einerseits alttestamentarischen Wendungen, andererseits ubiquitärem Alltagskram in Israel vertraut) gar nicht notwendigerweise wahrnehmen, dass es da überhaupt was zu übersehen gäbe. Praktisch bedeutet das, dass ein paar der Texte sehr, sagen wir, pointenlos erscheinen, und „wir“ höchstens rätseln können, was „wir“ übersehen haben.

Wären dies die Gedichte eines deutschsprachigen Gegenswartsautors, könnten wir uns an dieser Stelle noch …

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zu zygmunt baumann, „retrotopia“

Es umfasst der knapp posthum erschienene Band „Retrotopia“ des 2017 verstorbenen polnisch-britischen Soziologen Zygmunt Bauman überraschend viele überraschend ansatzlos zitable Stellen.  Dementsprechend häufig drängt sich dem Rezensenten der Gedanke auf, er müsste bloß unkommentiert diese oder jene halbe Seite abtippen, und es bekomme die Leser*innenschaft die Quintessenz des Ganzen serviert; ebenso häufig stellt sich dieser Gedanke dann ein paar Seiten später als notwendige Chimäre heraus, und der Horizont von „Retrotopia“ als jeweils immer noch ein Stück weiter als gedacht. Dennoch wird man nicht fehlgehen, wenn man den Verlauf des Buchs zwischen zwei Textstellen „aufspannt“. Bauman beschreibt seinen Vorsatz in der Einführung zu „Retrotopia“ so –

An (…) [den] wichtigsten[n] Umschwünge[n] in der fünfhundertjährigen Historie moderner Utopien seit Morus werde ich mich im Folgenden orientieren, um die zentralen „Zurück zu“-Tendenzen der gegenwärtigen Phase dieser Geschichte zu untersuchen – darunter insbesondere die Rehabilitation des tribalen Gemeinschaftsmodells, den Rückgriff auf das Bild einer ursprünglichen/unverdorbenen „nationalen Identität“, deren Schicksal durch nichtkulturelle Faktoren (…) vorherbestimmt sei (…)

– und kurz, bevor das Buch dann grob 200 Seiten später mit einem länglichen Zitat aus Papst Franziskus‘ bekannter Karlspreisrede und, daran angeknüpft, einer Zurückweisung der politischen Programme von Huntington, Thatcher et al. endet, formuliert Bauman, eingepasst in eine Kritik am Nationalstaatsbegriff, sein eigenes Gegenprogramm: …

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zu simon strauss, „sieben nächte“

Dieses Buch hat, wie wir uns sagen lassen, ein Zerwürfnis zwischen zwei sich irgendwie auf die Romantik beziehende Berliner Textsekten (wo nicht verursacht, so doch) zum Gegenstand  feuilletonesker Abhandlung gemacht; die Vokabeln, die bei dieser Gelegenheit in die Ödnisse zwischen taz und FAZ tropften, triggern tendenziell Besorgnis. Also mal sehen – „Sieben Nächte“ …

… ein Buch, über das wir positiv ggf. noch vermerken dürfen, dass es eine sinnreich gegliederte freie Prosaform jenseits der ewigen Romanvorgabe aufweist; dass der Duktus stringent durchgehalten wird und der Verfasser gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen fiktionalem Textsubjekt und biographischem-poietischem Authentizitätsanspruch lustwandelt (inklusive der Bewusstheit, dass das gar nicht so einfach sei mit Effekt und Emphase, nichtwahr? Oder muss selbst hier schon gemäkelt und von Koketterie geredet werden?) … das also in den „technischen Preiskategorien“, wie es bei den Oscars heißt, schon noch was zu gewinnen hat …

… aber im Übrigen handelt es sich um das sterbenslangweilige und pathosgeladene Lamento …

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zu hartmut lange, „über das poetische“

Nun gibt es ja Bücher, bei denen steht in der Rezension, tatsächlich oder zum Schein, sozusagen ihre Existenzberechtigung selber auf dem Spiel; die Frage, ob es – insbesondere in Hinblick auf die Endlichkeit des weltweit verfügbaren Papiers, der menschlichen Aufmerksamkeit und der Slots im Diskursraum zu einem gegebenen Zeitpunkt – wirklich nötig war, gerade das zu publizieren. Der Band von Hartmut Lange in der Matthes & Seitz’schen Reihe Die Fröhliche Wissenschaft ist kein solches Buch.

Wir können, was Lange in seinen drei Abschnitten schreibt bzw. sagt, haarsträubend falsch finden – und tatsächlich findet es der Rezensent haarsträubend falsch – aber der Platz des Ganzen in dieser Publikationsreihe, und seine kontextuelle Rezeption (als Buch gerade dieses bedeutenden Autors, als …

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zu BELLA triste 48

Erstens, wie sich die Verantwortlichen gerade das entscheidende kleine Bisschen zu sicher gewesen zu sein scheinen, dass das alles ohnehin von niemandem außerhalb der p. t. Peergruppe gelesen würde:  Eine ansehnlich großformatige BELLA triste Sonderausgabe, irgendwie das Prosanova | 17 Festival betreffend, aber eben (wenn wir uns bloß an das immerhin drei Seiten lange Editorial halten) wirklich nur *irgendwie* …

… wobei … mit dem Wort *irgendwie* hier entschieden nicht die Stimmung gemeint ist, die dieses Editorial, und die drauf folgende Textauswahl, und überhaupt die ganzen Aufmachung von BELLA triste Nr. 48 umkreisen und/oder beschreiben und/oder behaupten. Über +/- 150 Seiten wird hier aufs Equilibristischste die Ambiguität aufrecht erhalten, die zwischen einerseits der Begeisterung der Protagonisten für den ihnen gemeinsamen Resonanzraum und andererseits dem Bewusstsein des sozusagen Kindischen, des bloß Momentanen, des Vor-Diskursiven an dieser Begeisterung besteht. Eh sympathisch, obendrein nachvollziehbar – und als literarisches Programm durchgehalten. Wir können sagen, BELLA triste 48 is indeed having its cake and eating it, too, will sagen, tritt uns mit einer durchgängig deutlichen Haltung entgegen, die ungefähr so zusammengefasst werden könnte: „Erstens sind wir eine muntere Clique, die sich ihren eigenen Codes und Glücksversprechen bombensicher ist, und sind also viel sexy-er als Ihr anderen; und sind aber zweitens im Stande, dieses unser Irregefühl und seine literaturmarktmäßige Einbettung als die (soziologisch ggf. notwendige?) Illusion zu beschreiben, die es ist…“

Das alles sitzt also; die Redaktion kann redigieren, die Autor_innen schreiben. Bloß geht vor lauter sorgsam austarierter Stimmigkeit zwischen Diskurs und Leben, (Marktteilnehmerzynismus und sagen wir mal Jugendlichkeit) die Frage flöten, wie sie den spießig-distanzierten Leser beschäftigt, der nicht dabei war und dem der Begeisterungsaspekt des Ganzen egal ist: Sind das jetzt lauter Texte über Prosanova | 17? Oder Texte, die beim Prosanova | 17 zum Vortrag kamen? Die dort entstanden? Liegt am Ende gar eine komplexere Anordnung zwischen Produktion, Auswahl, Redaktion zugrunde? Wenn ja, welche? … Denn, siehe oben: So sicher …

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zu robin coste lewis, „sable venus“

Das amerikanische Original, das nun in einer deutschen Übersetzung vorliegt – „Voyage of the Sable Venus: And other Poems“ – wurde 2015 mit dem National Book Award for Poetry ausgezeichnet.  Es gibt keinen einzigen Text hier, in dem die Dimensionen von Frau-Sein und Schwarz-Sein, die Rück-/Eroberung von Definitionsmacht keine Rolle spielen würden. Aber welche Rolle sie jeweils fürs Gebilde spielen, diese Dimensionen, das variiert. Wir beobachten auf den Seiten des Buches gleichsam einen wiederholten Umschlag zwischen einerseits der Dekonstruktion von „Rasse“/Klasse/Gender-Identitäten und andererseits ihrer souveränen Behauptung … Auch werden wir uns als deutschsprachige Leser rasch bewusst, dass in unserer Sprache, mit unserem begrifflichen Apparat für Gesellschaftliches, mit unserem Geschichtsbewusstsein manches hier zugleich offensichtlich drängend-zeitgenössisch und – for lack of a better word – exotisch erscheinen kann. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Odile Kennels Übersetzungsarbeit. Ihr ist außerdem zu applaudieren für die Entscheidung, im Anhang zu den Begriffserklärungen der Autorin noch Erklärungen speziell für die deutschsprachigen Leser_innen anzufügen; Leser_innen mithin, deren Alltagssprache zwar sehr wohl weiterhin diverse verdeckte und offene Rassismen und Ideologeme transportiert, aber eben: konkret andere verdeckte und offene Rassismen und Ideologeme als jene Alltagssprache, auf die sich Robin Coste Lewis bezieht, in der, mit der und gegen die sie arbeitet.

Der Band hat eine klar bestimmbare Hauptsache – den titelgebenden zweiten Abschnitt – doch auch von dieser Hauptsache abgesehen umfasst er (und laut!) lesenswerte Texte: zwei Kapitel mit Einzelgedichten, bei denen wir uns meist nicht ganz sicher sind, ob sie als schlichte narrative Langtexte, als investigative poetry oder als sozusagen songs gelesen werden wollen – „Felicité“, „Lust & Verständnis“, „Plantage“, „Rahmen“, „Köder“ (wobei wir übrigens eh wissen, dass wir songs als Verlegenheitskategorie einsetzen, um auf eine erhoffte soziale Praxis der Lyrikrezeption zu verweisen, die den Stoffen von Coste Lewis angemessener wäre als das, was im, sagen wir, Literaturhaus Graz als Wasserglaslesung durchgeht).

„Unterwegs zu Sri Bhuvenashwari“ ist vielleicht noch extra zu erwähnen, eine fast unangreifbar konkret und vorsichtig „über die Bande“ inszenierte Identifikation des Text-Ich (früher auf Reisen in Indien, jetzt Mutter und public figure in New York) mit der All-Mutterschaft – beziehungsweise mit einer Mutterkuh samt totem Kalb – mit Leben und Mitleiden zwischen den Spezies und Kulturen hin (und dem doofen, weißen-männlichen-deutschsprachigen Rezensenten, der, logisch, „ganz andere“ Sorgen hat, fällt nur ein, das wuchtige Gebilde nach Metaphysik-Resten abzuklopfen … er findet keine, bleibt aber misstrauisch, denn immerhin: Indien! Essenzfeminismus!)

Die Hauptsache dieses Bandes ist aber, wie schon gesagt, eindeutig sein titelgebender zweiter Abschnitt „Die Reise der Schwarzen Venus“ sowie gegebenenfalls noch der dazugehörige erläuternde Essay

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die zweite halluzination / zur lage der nation: “baggertennis / christkind”

(deliriert zum stand vom 15. 12. 2017)

es spielen zwei baggerfahrer baggertennis mit einem schweineschädel. das heißt: mit machtvoll gelben baggerschaufeln werfen die bagger von den baggerfahrern sich den schweineschädel zu. verloren hat, wessen schaufel ihn, den schweinskopf, nicht mehr fängt, oder bei wem der schweineschädel aufplatzt und also alles vollsaut mit dem gatsch, wie er in schweineschädeln eben drin zu sein pflegt – die baggerschaufel vollsaut, und die kabinenscheibe vollsaut, und die reifen und den erdboden rundherum sowieso vollsaut.

der verlierer muss dann ein tutu anziehen, die schweine-schweinerei wegputzen und dabei die erklärung zur menschenrechtsstadt graz von 2001 laut und klar und deutlich singen, wobei es gilt, die töne ganz genau zu treffen, oider, weil: das christkind hört zu und muss weinen, wenn du schirch singst. der gewinner dagegen hat gewonnen, und das ist doch auch etwas wert, nichtwahr?

… das christkindl aber, es sitzt in mittlerer distanz hinter den grauen, tiefhängenden wolken und denkt sich seinen teil. sein christkindlblick schweift, da der schweineschädel munter hin und her hüpft, über die weite rodungsbrache hin, entlang der abgeholzten böschung, wo die gelben bagger zwischen gatschbraun, stahlblau und dem verblichenen türkis von durchsichtigen werbebannern beinahe leuchten. und wirklich – das christkind hört den baggerfahrern zu, die sich in gutturalem steirisch irgendeinen hundserbärmlichen unsinn zurufen, betreffend das wetter und die formel I und den beziehungsstatus von andreas gabalier; lauter unsinn freilich, den wir ernst zu nehmen lernen sollten, denn immerhin haben wir ja meinungsfreiheit, nicht wahr?

das christkind, da es zuhört und mit trägem blick dem gehopse von dem schweineschädel folgt, säuft sich auf seiner breiten dunkelgrauen wolke einen fetzen an, der sich gewaschen haben wird, denn anders als mit hipster-bio-gin und wuzelzigarette ist diese steiermark hier wirklich nicht mehr zu ertragen. christkindlein meditiert über die frage, ob sich städte nun deshalb zu dörfern zurückentwickeln, *weil* die fpövp sie regiert, oder ob andererseits dorfbewohner eben eher fpövp wählen als städter, in welchem falle die ursachen für das erodieren so vieler früher mal errungenen zivilisiertheiten hier zu graz eher zu suchen sein würden bei, was weiß schon das liebe christkind, lohnstückkosten in der ziegelbranche in südungarn oder so …

… erstere option, denkt das christkind und nimmt einen kräftigen schluck, hätte den vorzug, dass in ihr noch der widerschein eines primats der politik über die wirtschaft leuchtet, freilich unter dem vorzeichen, dass das schönste primat nichts nützt, wenn die verantwortlichen nicht daran glauben und/oder zu deppert sind, es zu nutzen; zweiteres erklärungsmuster dagegen erscheint dem christkind als die dialektisch-materialistische position zum thema und stimmt darüber hinaus auch mit dem umstand überein, dass die welt, wie das liebe christkindl weiß, ein weiter, wilder und gruseliger ort ist, an dem anderswo die leute nochmal ganz andere sorgen haben als das bissl verdorfung, zersiedelung und bedümmlichung, das hier so ansteht.

das liebe christkindlein ist jetzt grade da, wo es ist, und nirgends anders, weil es den beiden baggerfahrern dort unten zu weihnachten je einen job in der nächsten bundesregierung bringen soll, und da muss es vorher nachsehen, ob die auch brav waren. schaut aus, denkt sich’s, und wuzelt sich eine tschick zum gin. brav fuhren beide baggerfahrer bagger dieses ganze letzte jahr hindurch, schütteten erde, steine, unterholz auf den jeweils korrekten haufen, plätteten auch den vordem gar zu luftig-losen gatsch zur uferrampe an der wilden mur, damit man klumpert lagern und heranführen kann. einer der beiden hat sogar einen hochschulabschluss in irgendwas unwichtigem mit viel text, aber das baggerfahren war besser bezahlt als die assistentenstelle.

brav brav, denkt also gelangweilt das christkind und raucht, aber eigentlich ist mir das alles so, so wurscht … und wann schneit es endlich wieder? auf einmal kommt ihm vor, dass der schweinskopf, der vorm grauen, grauen himmel rosa bahnen zeichnet, weil die baggerschaufeln ihn schupfen, dass also dieser schweinskopf ihm in die augen schaut. kann aber eigentlich nicht sein, schon allein wegen der distanz … und das christkind wünscht sich zu weihnachten (so sagt es still und leis bei sich dem schweinskopf in der grauen grazer luft in seine schweinskopfaugen):

erstens, dass alle menschen lieb zueinander sind, und aber zweitens einen merkava-kampfpanzer, und …

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Die zweite halbe Doppelrezension von zwei Ausgaben der horen

Herausgeber Martin Zingg schreibt fast gleich zu Anfang:

Eine „runde Zahl“ ist es nicht, die zu dieser kleinen Anthologie geführt hat, auf einen äußerlichen Anlass ist die Beschäftigung mit Lorca nicht angewiesen, zu keinem Zeitpunkt.

Damit ist alles, was wir wirklich wissen müssen, gesagt: Nummer 268 der horen ist eine Sammlung aktueller deutschsprachiger Lorca-Rezeptions-Phänomene, es geht um Übersetzungs- und vor allem Deutungshoheit sowie um ihre Verschiebung im Laufe der Zeit; wohl auch darum (so dürfen wir annehmen), die Begeisterung für und die Ahnung von Lorca hierzulande nach Kräften zu befördern. Wenn das so ist, ist die Mission im Ganzen geglückt: Der Rezensent beispielsweise hatte bislang keine, überhaupt gar keine, Ahnung von Lorca – und schämt sich eh in angemessenem Ausmaß, danke der Nachfrage! – und ist nun angefixt.

Ziellos, aber mit einer ungefähren Richtung – nämlich, nach Lektüre des Editorials, vom Autor_innenverzeichnis am Schluss weg langsam nach vorn – lesend-blätternd-lesend, ist das erste Lorca-Gedicht, mit dem wir uns beschäftigen, jenes …

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Die erste halbe Doppelrezension von zwei Ausgaben der horen

Ausgabe 267 hatte als Schwerpunkt zeitgenössische Literatur aus Frankreich und als dazugehöriges Motto „Den gegenwärtigen Zustand der Dinge festhalten“. Das Vorwort der beiden Kompilator_innen benennt  diesen Zustand denn auch auf den ersten Zeilen auf so plausible wie wenig überraschende Weise –

(…) Frankreich steht in letzter Zeit vor allem für zwei (…) Themen: Für eine Präsidentschaftswahl, bei der die etablierten Parteien nahezu in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind (…), um mit (…) Macron einem jungen Kandidaten Raum zu geben. Mit der Bildung der Regierung (…) ist es ihm gelungen, (…) der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass es zu einer tatsächlichen Erneuerung und Verjüngung der politischen Landschaft kommen könnte. In den Schlagzeilen war Frankreich aber vor allem auch aufgrund der Terroranschläge (…).

– um aber gleich darauf scharf abzubiegen und sinngemäß fortzufahren: Von diesen Ereignissen werde nun leider der Blick der deutschsprachigen Nachbar_innen auf den „jahrhundertealten“ „kulturellen Austausch“ zwischen den Sprachen, Nationen und Kulturräumen getrübt, und um dessen Einbettung ins beschrieben Heute (vermuten wir, sonst gibt die Absatzfolge gar keinen Sinn) gehe es. Zu diesem Zwecke

Kein / Manifest – Narr #22

Narr also. „Das narrativistische Literaturmagazin“, steht auf dem Cover der Ausgabe #22, die zu besprechen ist – einem kleinformatigen Taschenbuch, das in seiner Aufmachung unbestimmte Nostalgien weckt – steht aber genau so auch auf den Nummern 19, 20 und 21.  Die habe ich gleich mitgeschickt bekommen, ebenso wie Nummer 16/17 (aber da steht das nicht drauf, das ist überhaupt anders aufgemacht), und ich bin froh darüber. Die Redaktion scheint eine sehr bestimmte Vorstellung davon zu haben – und auch durchsetzen zu können – was erstens für ihr schweizerisches Magazin „junge[r], frische[r] Texte“ rein gestalterisch gut aussieht und was zweitens, textästhetisch und inhaltlich, in die Zeitschrift darf. Will sagen: Deutlicher als bei den meisten anderen Zeitschriften ist auch für den kursorischen Leser von Narr #22 eine Blattlinie sichtbar.

Wobei es gar nicht so leicht ist, die Blattlinie just über den Begriff des „Narrativistischen“ zu fassen zu bekommen. Im Netz geistert z. B. …

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zu jan skudlarek, „der aufstieg des mittelfingers“

An Jan Skudlareks rororo-Sachbuch „Der Aufstieg des Mittelfingers“ gibt es insofern nichts zu bemäkeln, als es genau, wirklich aufs i-Tüpfelchen genau erfüllt, was Aufmachung, Titel und Untertitel verheißen:  Wir halten ein zwar popularisierendes, aber doch kompetent kompiliertes Buch über „PC-culture“ in den Händen, das sich auch mit dem augenscheinlichen Erfolg beschäftigt, den „anti-PC“-„Populisten“ neuerdings überall in der sogenannten westlichen Welt haben. Es geht mithin darum, wie das Ding, das früher der öffentliche Diskurs war, sich ins Gehege des Scheinprivaten, „Persönlichen“ und damit tunlichst des Un-Abstrakten verpflanzt findet. Der Duktus lässt an ein zweihundert lockere Buchseiten füllendes Feuilleton denken, die einzelnen Beispiele und Fußnoten sind auf möglichste Tagesaktualität und offenbar auf ihre bruchlose Verknüpfbarkeit mit tatsächlich im Fernsehen oder in der ZEIT gerade zu verfolgenden Stories hin optimiert. Selbst die Dokumentation kommt eher den Erfordernissen der journalistischen Sorgfaltspflicht nach als den Regeln der philologischen Zitierweise (oder von mir aus der soziologischen) … „Der Aufstieg des Mittelfingers“ ist als Übersicht darüber nützlich, was vernünftigerweise über ein klar abgegrenztes, nicht unwichtiges Zeitphänomen innerhalb eines bestimmten soziopolitischen Kontinuums (‚Schland) zuerst beobachtet und dann ohne weitere Mühen gedacht werden kann.

Das Ganze wirkt, als ginge es im Zuge eines ca. „öffentlich-rechtlichen“ Auftrags darum, aufs Neue in der Bevölkerung das Wissen zu verankern, dass da ein Unterschied zwischen freier Meinungsäußerung, Kreditschädigung und Volksverhetzung ist (beziehungsweise andersherum: zwischen kritischer Widerrede, privater Aggression und Zensur). Die Aufhänger sind klar und naheliegend: …

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12 g sentimental

Sehen wir von dem Promo-Zettel zu Jo Franks „Snacks“ ab und orientieren uns nur daran, was uns das kleinformatige Büchlein über sich selbst verrät, dann werden wir beim ersten Aufschlagen annehmen, dass wir uns einer Erzählung über das Behaustsein in der Sprache gegenübersehen, und zwar:  in der eigenen Sprache, zwischen den Sprachsystemen des Englischen und des Deutschen; um das Zuhausesein genau in der Spannung zwischen der biographischen Aufladung der Vokabeln „home“ und „Zuhause„. Wir glauben nämlich, eine formal gegebenenfalls etwas anspruchsvollere Kindheitserzählung mit einer gewitzten Rahmenkonstruktion zu lesen. Dieser Rahmen geht so: Auf der Innentitelseite unten stehen zwei leicht zu übersehende Sätze –

„Ausschließlich Sprache“, sagte er. „Mehr gibt es nicht“.1

– und das ganze restliche Buch müssen wir uns dann als die Fußnote denken, auf welche diese hochgestellte 1 verweist. Wir lesen also, denken wir, eine …

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„Ich lese Gertrude Stein direkt hier.“

Unser Gegenstand ist der bereits zehnte Eintrag in die Reihe „Zwiesprachen„, in welcher der Wunderhorn-Verlag seit letztem Jahr (und also mit beachtlicher Geschwindigkeit) poetische Texte  zeitgenössischer deutschsprachiger Autor_innen über ihre Klassikerlektüren versammelt. Das Heft umfasst einen Text, den der folgende Hinweis eröffnet:

Diese Rede wurde am 25. Januar 2017 im Lyrik Kabinett, München, gehalten.

Also eine Rede. Genauer: Ein Rezeptionstext von Swantje Lichtenstein über Gertrude Stein – GS –, der dem poetischen Genre Rede angehört. Eine Rede, aber keine Preis-, Fest- oder Gedenkrede, keine Moderation und auch keine lecture, also keine Rede im Sinne eines akademischen Vortrags, aber an dieser letzteren Form sehr wohl noch orientiert … Sagen wir so:

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unqualifizierte halluzination / zur lage der nation.

Wien, Stephansplatz. Ein Reisebus fährt mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit über den Platz, direkt an der Dompforte vorbei. Die Zettelverteiler und die Fremdenführer in ihren Mozartperücken hüpfen beiseite, dass es eine Freude zum Zuschauen ist. (Um die Tauben und die Touristen machen wir uns mal keine Sorgen, sie nicken weiter blöde vor sich hin und bewegen sich in schützenden Großgruppen übers Pflaster.) Ein Geistlicher stolpert, aber das ist uns auch wurscht. Da der Bus laut quietschend zum Stehen kommt, blockiert er sowohl den Autoverkehr am Eck Rotenturmstrasse alsauch den Fiakerstandplatz beim Dom. Es wird gehupt. Es scharrt ein Pferd mit Hufen. Laut fluchend kommt ein Kutscher näher. Er liest die die Aufschrift auf der Seite des Busses, Türkis und Dunkelblau auf braunem Grund, sie lautet

Vom Sebastibasti Kurzikurz seinen Segelohren ihre Segeltörns im Meer der Geschichte durch die Untiefen der österreichischen Realverfassung so, wie Robert Menasse sie uns erklärt hat. Das Fernziel ist Takatuka-Land, aber fürs Erste reicht uns Deutsch-Österreich.

Irgendwie geht sich das alles in den paar wenigen schwungvoll gesetzten Lettern aus, die wir da sehen. Vorne auf dem Bus lesen wir außerdem, in Spiegelschrift wie bei Rettungswägen:

Man beachte, dass hier immerhin nicht unkommentiert ‘Geilomobil’ draufsteht.

Mit einem lauten Zischen der Hydraulik öffent sich vorne die Bustür. Leguane, MurmeltiereBisamratten und Paviane in putzigen Lederhosen und Dirndlkleidern steigen aus, untereinander mit menschlichen Stimmen schnatternd, und stehen in Kleingrüppchen auf dem Pflaster rum. Beeindruckt blinzeln sie den Dom und den Mannerschnitten-Flagship-Store an. Diejenigen, die Smartphones oder Fotoapparate mit sich tragen, machen Selfies.

Hinter ihnen entsteigt seinem Gefährt der Busfahrer. Er ist ein Oarsch mit Ohren, aber ohne die Ohren, und er raucht durch das Oarschloch, das hier den Mund darstellt, eine würzige Zigarette. Er hat nach einigen Monaten der Abstinenz wieder angefangen zu rauchen, wie wir wissen. Aber woher wir das wissen, wissen wir nicht.

Taxler, Passanten und Fiakerfahrer erheben …

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zu „Fort>Schreiben“ / „Ecrire>Encore“

Zuerst googeln wir panisch – ist doch, was uns vorliegt, ein leicht über-designtes Taschenbuch namens „Fort>Schreiben“ / „Ecrire>Encore“, herausgegeben vom Schweizerischen Literaturinstitut Biel, sodass wir  befürchten, die Gründung einer weiteren Institutszeitschrift um vielleicht sogar Jahre verschlafen zu haben … Aber nein, alles ok, nichts dergleichen. Was wir da stattdessen aufschlagen, ist ein Einzelband zum zehnjährigen Institutsjubiläum. Vorn und als Hauptattraktion ein einziger, grob 130 Seiten lang „fort>geschriebener“ Kollektivtext, zweisprachig nicht im Sinne von Übersetzung, sondern im Sinne eines Springens zwischen Abschnitten auf Deutsch und auf Französisch; dann je zirka dreissig Seiten Korrespondenzen in jeder der beiden Institutssprachen, betreffend die Arbeitsbiographien und Lebenswelten einiger Alumni, schließlich (und noch vor einem umfangreichen Nachwort nebst Angabenapparat) ein Essay über „Das Schweizerische Literaturinstitut aus der Perspektive seiner Absolvent/innen“ von Annika Hossain. Letzterer Beitrag fällt auch deswegen besonders auf, weil er das augenscheinlich einzige Stück Text darstellt, das tatsächlich in beiden Sprachen vorliegt.

Charmant (oder eben, s.o., leicht über-designt) dürfen wir die gewählte Gliederungsmethode finden: Keine gesonderten Zwischentitelseiten oder …

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Maisie Williams als Teiresias!

„Der Schnitt durch die Sonne“ ist ein Roman von Dietmar Dath (schon wieder einer!), und eigentlich ist damit alles Wissenswerte gesagt:

Es gibt erstens wieder ein völlig abgedrehtes Setting, das uns gerade seiner Abgedrehtheit wegen zu besonders eifriger suspension of disbelief reizt; dieses Mal hat es mit intelligenten Sonnenstürmen (oder Sonnenwirbeln? Magnetstürmen? Plasma…dingern? Ich bringe die Nomenklatur durcheinander) zu tun, die mit einigem Aufwand Bewusstseinsabbilder ( … wiederum: Nomenklatur …) zwischen Sonne und Erde hin und her beamen.

Es gibt zweitens die gewohnte Dath’sche Erzählhaltung – nennen wir sie ‚science fiction als sozialistischer Realismus‘, oder umgekehrt – welche …

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„yo future“ bzw. Yoyo Bio

Absolut nichts gibt es auszusetzen an den knapp 200 Seiten mit künstlerisch anspruchsvollen Comics, die uns das Hamburger „Magazin für Illustration“ bietet. Es gibt über sie kaum  mehr zu sagen als: Es sind künstlerisch anspruchsvolle Comics. Sie sind von sechzehn Beiträgerinnen, die sehr verschiedene Stilrichtungen jenes Mediums bedienen; manche gehen mehr in Richtung Informationsdesign, manche in Richtung white-cube-Bildendekunstwelt, es gibt ein paar Posterkunst-Exponate und einige Beiträgerinnen, die näher an den Traditionen dessen bleiben, was wir im engeren Sinne „Comic“ nennen. Sie leisten alles das, was dieses Medium leisten kann; das ist, wir wissen es, in den letzten Jahren immer mehr und interessanter geworden, seit einerseits „klassische“ Comics und andererseits zeitgenössische street art Gegenstand der Verhandlungen über den bildungsbürgerlichen Kunstkanon sind.

Mit dem Hefttitel „yo future“ ist übrigens leider nicht gemeint, es ginge hier um die Überwindung des Punk („No Future“) durch weiß-vorstädtisch verballhornte Hiphopkultur („Yo yo yo!“). Vielmehr geht es bei diesem Titel und bei den einzelnen unter ihm versammelten Beiträgen um den fragwürdigen Umgang der Spezies Mensch mit ihrer Zukunft, ihren …

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notiz zur wahl 17

sg. SPÖ – gehen wir doch einfach davon aus, dass dass deine rolle ab übermorgen so oder so in der OPPOSITION zu sein hat. weil: entweder, der kurze gwinnt. schwarzrot würd aber genau den gleichen dreck machen wie schwarzblau, nur kompetenter (=schlimmer), und würd die glaubwürdigkeit der sozialdemokratie beschädigen. also: gehts lieber in opposition.  oder der kern gwinnt. alleinregierung wird sich aber ned ausgehen, rotgrün eher aa net. also was wollts: rotschwarz weiterscheisserln, oder rotblau auf generationen hinaus jede motivation für linke und gemässigte untergraben, euch nochmal was zu glauben? also: lasst den kurzen machen. das blaue kuriositätenkabinett wird einen skandal nach dem anderen liefern und auf spektakulär dummdreiste art an den grundlagen des rechtsstaats rühren; der funktioniert aber in Ö, und deshalb werden die sich innert weniger jahre wieder selbst weggesprengt haben.

jetzt OPPO is tatsächlich die am wenigsten schädliche variante fürs land und die partei.

und weil das so ist, kann man eigentlich auch gleich statt euch die partei mit dem sozialdemokratischen programm – also die KPÖ+ – wählen und hoffen, dass sie ins parlament kommt und mit euch z’samm, liebe SPÖ, dann der bürgerregierung saures gibt.

zu Grünbein, „Zündkerzen“

Die Piniengedichte ab Seite 80 in „Zündkerzen“ sind nett. Ansonsten bekommen wir viel Anlass, uns über diesen Lyrikband zu ärgern, wenn wir ihn lesen, und das liegt nicht daran, dass  wir den immerhin Büchner-Preisträger Durs Grünbein etwa ausgesprochen objektiv schlecht fänden. Ist er nicht, im Gegenteil. Was zum Ärgernis Anlass gibt ist, wenn man so will, die Fallhöhe: Da kennt einer die lyrischen Formen bis in die entlegeneren Details ihrer Historien und hat das drauf, Mühelosigkeit zu suggerieren, wenn er sein Sprachmaterial auf diese oder jene ganz bestimmte, anspielungsreiche Sondervariante dieser oder jener Strophenform bringt … Und auch noch die Grammatik wirkt ganz ungezwungen hier latinisierend, da anglesk (das ist kein Wort, ich weiss eh, es sollte aber eines sein). Mühelosigkeit! Wo es bei uns anderen bloß zu – bestenfalls noch ‚cooler‘ – Brachialität reicht; oder zu Feinnervigkeit, oder was weiß ich, jedenfalls aber unseren Arbeiten stets die metaphorischen Schweißflecken unter den Achselhöhlen der angestrengt herbeigezwungenen Metapher eignen …

Ein kühler Morgen, Herbst, Oktoberwind: im Park
Die Läufer drehen ihre Runden. Von der letzten Nacht
Noch feucht die Wiesen. Männer zeigen, bärenstark,
Was sie bewegen könnten, Technikfreaks, Athleten –
von Freizeit müde. War das Leben schon vollbracht?
Die Bäume schwirren, wer erinnert sich der Feten,
(…)

Mühelosigkeit also – und was macht der Verfasser mit seiner Mühelosigkeit? Nichts! Grünbein hat so dermaßen nichts zu sagen, das jener eindrucksvoll ausgeblendeten Mühe wert erschiene! Und nicht einmal das wäre weiter schlimm – nichts gegen reine Sprachequilibristik und wackere Luftnummern! – wenn diese Gedichte das Bedeutenwollen nicht gar so vor sich her trügen. Sie wollen uns durchaus einschwören auf ein wohlbekanntes Subjektivitäts- oder Bildungsideal, das im Zweifelsfall auch mal wichtiger als die ganze Sprachartistik wird und sie verdrängt – das vermittelt sich dann z. B. so:

Wir leben in geheimnislosen Städten

(…)

Die Stadt war nun ausgeschachtet. Durch Tunnel
Führte ein besinnungsloser Verkehr.
Es gab keine Eingeweide mehr, Labyrinthe
Im Zwielicht, mit Gassen ins Unbewußte,
Straßen, die in die eigene Blutbahn führten.

(…)

Und den Band durchzieht ein sichtliches Bemühen, diesem sagen wir romantischen, sagen wir deutsch-idealistischen Ideal neues Zeugs einzugemeinden. Solches Bemühen geht aus von der korrekten Diagnose, dass, was problemlos in den Referenzrahmen von Propertius und Pinien passt, kaum neue oder unter-siebzigjährige oder freiwillige Leser hinterm Ofen mehr hervorholt. Es sitzt aber der fehlerhaften Verfahrensweise auf, dass […]

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zu Menasse, „die Hauptstadt“

Ein groß angelegtes Brüsselbuch von Robert Menasse, dem „Klassensprecher der österreichischen Intellektuellen“ – der Klappentext spricht gar von „seinem großen europäischen Roman“  – ist derzeit, lassen wir uns sagen, nominiert für irgendwas Wichtiges. Nach eingehender Lektüre können wir festhalten:

Erstens: Eine neue Idee zum „großen europäischen Roman“ – als einem klar abgegrenzten Gegenentwurf zur great american novel; einem konkurrenzfähigen neuen Konzept des Ineinsfallens von Form, Inhalt und Ideologem  hat Menasse da nicht ausgerollt. (Man wäre ja auch von sich aus gar nicht auf die Idee gekommen, so groß und nassforsch nachzufragen, aber wenn der Werbetext durchaus insistiert …) Ein dicht gewobenes Großstadtbuch hingegen durchaus, herschreibbar von mehreren existenten europäischen Romantraditionen; vom Leserhythmus und von der Struktur her vielleicht eher eine Sammlung von elf verknüpften Novellen als ein einzelner Roman (wobei bei Großprosa dieses Zuschnitts die Gattungsnamen ohnehin bloß noch von Interesse für die Buchhandelsketten und ihre Lageristen sind).

Zweitens: Dass es in diesem Text, der wie gesagt kein „großer europäischer Roman“ ist, um Europa dann doch sehr wohl geht, um Europa nämlich als Idee und Häufchen Elend Tatsachen, Europa als Geschichte und Gegenwart, als individuell bedeutungsgeladene Biographie und als Bündel von soziographischen Daten zu einem gegebenen Moment. Kaum überrascht sie uns, die sozusagen didaktische, die anscheinend aufs podiumsdiskussionstaugliche Argument abzielende Gegenüberstellung des Allgemeinen und des Besonderen. Sie ist narrativ festgemacht als ebensolches Gegenüber und Ineins von synthetischen und analytischen Erzählsträngen; als  Erzählerblick auf ein berührungsarmes Nebeneinanderleben in durchgängig wiedererkennbaren Strukturen, auf engem Raum – im Prolog etwa beginnen die Geschichten einiger unserer Protagonisten, kann man sagen, in Blickweite voneinander (plus-minus ein paar sichtfeldblockierende Mauern, klar) … Und zumindest darin, dass das Wort Protagonisten hier eindeutig und fett im Plural steht, und welcher Art die zur Verfügung stehenden Subjektivitäten – wieder Plural – sind, steht „Die Hauptstadt“ dann doch der great american Dingsda scharf gegenüber: Sozietät statt rugged individual und so.

Drittens: Dass des stetig am Laufen gehaltenen Interpretationsspiels zwischen den Zeilen hier ein wenig gar dick aufgetragen ist. Die multiple Aufladung der diversen Erzählobjekte, MacGuffins und Schauplätze mit Widersprüchlichem gehört, klar und in Ordnung, zum Standardprogramm ausgedehnter und nichttrivialer Erzählprosa; aber wenn wir bis in die Verzweigungen dieser Widersprüche das muntere „Einerseits-Andererseits“ der Staatsbürgerkundelehrer nachhallen hören …

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35.000,-

Eigentlich, ja eigentlich hätte dies hier eine Polemik werden sollen, betreffend den Umstand, dass beim „Wortmeldungen“-Literaturpreis der Crespo Foundation, der demnächst  verliehen wird, ausgerechnet die Lyrik (nebst Dramatik und „ausschließlich journalistische[n]“ Texten) ausgeschlossen bleibt. Da wird zur Abwechslung mal so ein mit 35.000,- Euro doch eher hoch dotierter Preis für ausdrücklich welthaltige Literatur ausgeschrieben – bzw. was man sonst mit der Formulierung auf der Homepage meint, es gehe um Texte, die sich literarisch mit „gesellschaftspolitische[n] Themen“ auseinandersetzen –, und dann dürfen just diejenigen Autor_innen nicht mitspielen, die das welthaltigste Zeug überhaupt schreiben: Gedichte!

Wir wissen natürlich, woran das liegt. Lyrik als prädestinierte Gattung des subjektiven Erlebens sei, so predigen bekanntermaßen auch viele ihrer bekanntesten Proponenten, auch nur höchst subjektiv zu rezipieren – Urteile schafften Verurteilte; was man da habe, wenn man anderes behaupte, sei unangemessene Strenge, die das Wesentliche ihres Gegenstands verfehle. Gedichte als „Wortmeldungen“ im Sinne jener Ausschreibung einem Vergleich mit Essays und Erzählungen zu unterwerfen, erscheint dann nach beiden Richtungen unfair: Kein Essay würde der Wucht und Würde subjektiven Empfindungsausdrucks standhalten können; kein Gedicht würde hinwiederum intersubjektive Wahrheitsansprüche, Richtigkeitsansprüche stellen dürfen … Das ist natürlich alles zusammen unrichtig und blendet weite Teile der Gattungsgeschichte aus. Aber die Wahrheit ist, wie uns die Freunde der Postmoderne (in freilich viel weniger bräsigen Sprichwörtern als diesem hier) versichern, eine Tochter der Zeit – und mit den kürzlich privat geäußerten Worten eines nicht ganz machtlosen Zeitungsredakteurs und zugleich nicht ganz unbedeutenden Lyrikers eigenen Rechts gesprochen: „Im Betrieb kommen immer weniger Leute vor, die sinnvoll von Lyrik handeln und reden können.“

… was, wie der Augenschein uns nahelegt, auch ihre Verfasser_innen selber mit einbezieht. Nicht müssen wir bezweifeln, dass … [weiterlesen auf fixpoetry]

tausend jahre fuffziger. nachtrag zu g. f. haas.

das mit der rede von georg friedrich haas beim festakt zu fuffzig jahren steirischer herbst, das hat inzwischen jede_r mitbekommen, den_die’s interessieren könnte, oder? – wie es  des erfolgreichen onkels aus amerika bedurfte, um uns hier, hinter den sieben bergen bei den sieben liebenauer schrebergartenzwergen auf den sieben unaufgearbeiteten massengräbern, noch einmal vorzubuchstabieren, wie das mit unserem zeitgenössischen kunstundkulturbetrieb im lande ist … dass sich, was an ihm irgend erfreulich ist, der abgrenzung von und des abwehrkampfes gegen die vielen altnazis in den instanzen und in der bevölkerung verdankt, wie er auch in den sechziger jahren noch nach kräften geführt werden musste … wo also dieses bündnis von ästhetisch und politisch fortschrittlichen haltungen hierzulande einstens herkam; diese automatische gewissheit, dass, wer sich beruflich mit moderner kunst im weitesten sinn beschäftige, nur einer von den guten sein könne, ein verlässlicher antifaschist und überhaupt … dieser vorschein selbstverständlichen alignements, auf dem sich die kulturschaffenden sowie -verwaltenden bewohner unserer immerhin stadt der volkserhebung zusehends gechillter ausruhen konnten, je weniger sie tatsächlich auskunft geben mussten, worin denn ihr antifaschismus, das genuin fortschrittliche oder aufklärungsaffine ihrer kunst bzw. ihres g’schaftelns im einzelnen bestünde …

wir erinnern uns: auf das kulturelle bzw. theoretische feld konnte nach ’45 ausweichen, was in der rauen wirklichkeit – vor beispielsweise stalingrad – geschlagen und gescheitert war. über blut und boden, über wirtschaft und politik durfte man als junger österreichischer staat die zahlreichen braunversifften notablen noch nicht gar so offen reden lassen, wie diese es im grunde ihrer mördergruben herzen wohl gern gewollt haben würden; aber: über die reinheit ostmärkischen kunstempfindens und über das wahreguteschöne, da durften sie schwätzen und wider welschen tand bzw. negermusik aufbegehren lassen. da gings erstmal um nix, also: nicht um zu bauende fabriken und abzuschließende exportverträge oder so. deshalb wurde das kunst-und-blabla-feld ein vergleichsweise ungefährlicher kontext für die nomenklatur der proporzrepublik spätestens der späten fuffziger jahre, um einerseits angebote zu machen (in stetiger rot-schwarzer konkurrenz erst an die zahlreichen altnazis, später an die weltoffen, ggf. gar fortschrittlich gesinnten nachgebornenen) und andererseits weltanschauliche stellvertreterkonflikte als amtsintrigen auszutragen.

herr haas hat also … [weiterlesen auf KiG!]

stream die main line …

Uns liegen vor: „Tippgemeinschaft 2017“ (ein vierhundert Seiten starkes ca. Dünndruck-Paperback) und „Landpartie 17“ (siebeneinhalb geklammerte Hefte), und damit  die aktuellen Jahresanthologien der beiden Literaturinstitute in Leipzig respektive Hildesheim. Mit ihrer Hilfe vergewissere man sich der Richtigkeit seiner Vorurteile versuche man nun, so etwas wie Instituts-Programmatiken erkennbar zu bekommen, am besten schön komplementär oder sonstwie von augenscheinlich-aussagekräftiger Differenz.

Freilich würde es zu weit führen und den einzelnen vertretenen Texten gar zu großes Gewicht aufbürden, wenn wir anhand der beiden gegenständlichen Sammlungen unmittelbar literatursoziologische Überlegungen anstellen wollten, in denen es dann z. B. um die Implikationen sowie um Ursachen und Folgen jener Entwicklung gehen könnte, die das deutschsprachige belletristische Schreiben als Feld derzeit so durchmacht. Das Aufpoppen zumindest der Schreibinstitute von Hildesheim und Wien gehört ja untrennbar zu der erwähnten Entwicklung dazu, und auch das DLL, das es schon deutlich länger gibt, hieß vordem bekanntlich „Johannes R. Becher“ und war da, äh, anders orientiert als heute. Auch wäre sicherlich interessant, mal en Detail zu der Frage zu recherchieren, ob die Institute und Workshops, die Poetikdozenturen und Stipendienorts-Alumni-Zirkel, die der deutschsprachige Literaturbetrieb in den letzten fünfundzwanzig Jahren herausgebildet hat, einen funktions- und inhaltsgleichen Nachbau des amerikanischen Systems der  Kanonfortschreibung darstellt, oder ob dieses nur ähnlich aussieht wie jenes, aber durchaus anders funzt und andere Ergebnisse zeitigt. (Das hieße: Ob in statistisch signifikant anderen Textsorten, produziert durch Leute aus statistisch signifikant anderen Klassen und Schichten, erkennbar andere Topoi und Themen verhandelt werden, um dann statistisch signifikant anders verbreitet zu werden usw. usf.

Aber mehr als das öffentlich verhandelte Selbstverständnis der beiden Institute, oder zumindest ihrer Studierendenschaft, in Bezug auf diese Entwicklung werden wir aus „Landpartie“ und „Tippgemeinschaft“ fairerweise kaum herauslesen können, wenn überhaupt …

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über krachkultur 18 / 2017

Im April ist die Nummer 18 der ungefähr jährlich herausgegebenen Zeitschrift Krachkultur erschienen. (Bei der Gelegenheit die Frage: Warum eigentlich „Zeitschrift“ und nicht … WEITERLESEN

seite an seite mit dem maulbeerbaum

Lesen wir Tom Schulz‚ 2016 in der Edition AZUR erschienene „Polnisch-Ukrainische Reise“ als Roman oder als thematisch strikt sortierte Kurzprosasammlung?  Letzteres bestimmt nicht – zu homogenisiert, zu aufeinander bezogen sind die mehreren Dutzend kurzen Abschnitte, aus denen das Buch besteht. Roman ist das aber auch keiner. Klar, da reist jemand durch die bröseligen Stadtlandschaften zwischen ca. Kleinpolen und der Bukowina, und die Reihenfolge, in der die Reiseeindrücke auf unsere Großhirne losgelassen werden, ist romanhaft komponiert statt einfach linear. Aber wo so etwas im Text vorkommt, erklärt der Icherzähler sein jeweiliges Hiersein auf eine Weise, die nahelegt, Schulz inszeniert da ein „unkompliziertes Verhältnis“ von Erzähl-Ich und ontischem Autor (will sagen: schreibt halt auf, was er erlebt hat). Aber, wichtiger für die Gattungsfrage: …

… Was wir da lesen, weist keinen bezeichenbaren Zentralkonflikt auf.“Schulz“ fährt herum; er besucht Orte, Universitäten, Gedenkstätten, Leute; irgendwann fällt uns auf, dass es da um mehr als  eine einzelne Reise geht –

Zwei Mal bin ich durch Ost- und Westgalizien gefahren, das eine Mal per Zug, das andere Mal im Traum. Was ich von den Landschaften gesehen habe, entspringt den nächtlichen Phasen des Versinkens in einer eigenen Wirklichkeit. War es in einem Nachtzug oder in jenem Traum, als die Hügel, sanft geschnitten, anhoben zu einem Lied? Lied von der Heimat, die jemand besass und verlor. Beides vermischt sich in der Erinnerung.

– dass es da mehrere tatsächliche Fahrten gibt, Erinnerungen von „Schulz“, Erinnerungen anderer Leute, die „Schulz“ aus Büchern oder Erzählungen kennt, Assoziation, Traum, die Unwägbarkeiten schon des individuellen Erinnerns. (Offensichtlich ist, was an dieser Feststellung noch hängt: Die Unwägbarkeit von Erinnerungen, auf die eine Gesellschaft sich einigt und die sie in eine Landschaft einträgt … Welche Gesellschaft? Welche Landschaft? Nur die je eigene?) Es handelt sich bei alledem nicht um Bewusstseinsstrom-Prosa, aber trotzdem sind die Marker, welche die „innere“ Wirklichkeit, die „äussere“ Wirklichkeit und die Wirklichkeit der Archive deutlich voneinander scheiden, spärlich gesät … Ungefähre, sprachgefühlig nahegelegte Scheidung der Ebenen – das gibt es in der „Polnisch-Ukrainischen Reise“ viel häufiger. Aber da geht es dann plötzlich um Interpretationsspielräume und um die Frage, wer interpretiert.

Also keine Kurzprosen und kein Roman. Wir werden dagegen nicht fehlgehen, wenn wir „Das Wunder von Sadagora“ als literarisches Journal lesen; genauer: als … [weiterlesen auf Fixpoetry]

Drunken on Bernkraft

Dem Rezensionsexemplar liegt die handschriftliche Bemerkung der Mitübersetzerin Astrid Nischkauer bei, ich könne mich jederzeit telefonisch genauer über  Zustandekommen und Konzept des Bandes informieren lassen. Das weckt natürlich den Ehrgeiz, ohne solche Auskunft – i wo, machen wir gleich „ganz ohne Google“ draus! – schlau aus diesem umfangreichen Buch zu werden, von dem ich mir fast sicher bin, dass es den Titel „Charles Bernstein = Karl Elektric. Gedichte und Übersetzen“ trägt. Fast sicher, denn: Es gibt mehrere Titelseiten, und jenes der zur Auswahl stehenden Impressi (Plural!), das nicht offensichtlich literarisch überformt ist, bezieht sich auf das Buch nur als Teil der Übersetzungskunst-Reihe „Versatorium„.

Also. Was liegt vor? – Texte aus mehreren Büchern des bedeutenden Produzenten von language poetry, Charles Bernstein, nebst Übertragungen (der meisten?) dieser Texte ins v. a. Deutsche, wobei das Wort „Übertragung“ (im Gegensatz zu „Übersetzung“) hier im Sinne ganz unterschiedlicher Freiheitsgrade zu verstehen ist. Es ist auch nicht so, dass sich (ohne, s. o., Google zu benutzen) auf die Schnelle ersehen ließe, wieviele (v. a.) deutschsprachigen Autor_innen da Übertragungsarbeit geleistet haben: Zwar gibt es eine Seite, auf der fein säuberlich die Kürzel vermerkt sind, die neben den jeweiligen Texten auf ihre Urheber verweisen, aber auf der Liste stehen neben eindeutigen Kandidaten – Bernstein selbst, Peter Waterhouse, Astrid Nischkauer – auch beispielsweise „Altstoffsammelzentrum“, Wassily Kandinsky, Sergio Leone. Und wenig überraschenderweise ist es auch nicht so, dass das jeweilige Original und das jeweilige (v. a.) deutschsprachige Gegenstück fad-benutzerfreundlich neben- oder direkt hintereinander angeordnet wären. Wir müssen die (aus unterschiedlichen Richtungen mit Zahlen zwischen 209 und 470 nummerierten) grob 250 Seiten vielmehr als Gesamtkunstwerk lesen, im Sinne eines der abgedruckten Texte Bernsteins:

Be always drunk. That’s all: that’s the only question. So not to
feel the horrific heaviness of Time weighing on your shoulders,
crushing you to ground, you must be drunken ceaselessly.
But on what? On wine, on poetry, or on virtue, in your fashion.
But drunken be.

Dann lassen wir uns drauf ein, durch diesen Wust zu taumeln; die Art der Aufbereitung verbietet … [weiterlesen auf Fixpoetry]

Fronk Reisch! Fronk Reisch!

Meine Damen und Herren Vernunftskeptiker; liebe zigtausende Politstrateg_innen daheim an den Empfangsgeräten; sehr geehrte nützliche Idioten!

In Fronkreisch ist also in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl mit Emmanuel Jean-Michel Frédéric Macron ein erzliberaler Volldepp jener Gegenkandidat, den wählen wird müssen, wer nicht behilflich sein will, die offene Faschistin Marine LePen zu ermöglichen. Nun ist es schlechterdings unmöglich, sich diesen Wahlgang (Match „*eppen gegen *öcher“, das er ist) irgend als epischen Showdown „Gut gegen Böse“ zu verkaufen. Das wiederum stösst, wie wir in den letzten zwedrei Tagen beobachten durften, zahlreichen Insass_innen des bekannten links|:radikal:|liberalen Thinktanks „Facebook“ sauer auf. Es scheint, genauer, eine gewisse narzisstische Kränkung zu verursachen, dass man keine klar erkennbar *richtige* Seite in der Auseinandersetzung der kommenden Tage geboten bekommt, mit der man sich tapfer identifizieren und aktivistische Memes posten kann. Anscheinend befeuert von dieser Kränkung ist derzeit viel des Gegackers darüber, dass Monsieur Macron ein Freund des allerverderblichsten Großkapitals sei, ein Arbeiterschinder und TTIP-Chlorhuhn-Arsch, persönlich an der Verelendung der Unterschichten aller Länder beteiligt und vermutlich auch Konsument von einem halben Liter eisgekühlter Waisenkindertränen täglich.

Es treffen diese Schilderungen natürlich ca. den Kern der Sache (also: „die Quintessenz“, nicht: „den Bundeskanzler“). Der Mann steht für die fortdauernde „Normalität“ im Sinne des Großbürgertums, womit gesagt ist, für den fortdauernden Ausnahmezustand für alle anderen Bevölkerungruppen; dafür, dass sich „immer alles ändern muss, damit immer alles gleichbleiben kann“. Trotzdem werden wir hoffen müssen, dass die offensichtlichen, plumpen Agitationsversuche nicht verfangen, welche linken französischen Wähler_innen (und den ihnen deutschsprachig hinterherhechelnden Tagesfreizeitbesitzern) einreden wollen, es sei nun richtig, im zweiten Wahlgang *gar nicht* wählen zu gehen, denn: … [weiterlesen auf KiG!]

donnerstags die belegstellen

WEIL wir vor paar tagen so ein gespräch hatten da es drum ging was zu befürchten stünde so globalpolitisch; und mein gegenüber [wer war das nochmal bitte melden!] mir nicht glauben wollte dass in ami-land noch mancher bunker mit atomrakete rumstünde bei dem das leitsystem mit floppydisks betrieben wird;

mit – alter gibt dir! – floppydisks!;

und ich das weiss ich noch versprach belege nachzuschieben: hier bitte:

erstenszweitens. drittens.

 

grün!donnerstags müssen wir dem umstand verwinden, dass der nachrichtensprecher brian williams beim anblick von tomahawk-missiles im nachthimmel jüngst wuschig wurde und aus diesem anlass ein zitat aus „first we take manhattan“ kaputtgemacht hat

der unruhige geist von leonard cohen wird brian williams im traume erscheinen.

da wird er dann rauchen und schauen und schauen und rauchen.

und wird da so milde schauen und scharf wird der rauch durch die ritzen der welt und so weiter

und sagen wird er dann nichts der herr cohen

und es wird sich herr williams schämen und schämen

und irgendein blödes arschloch wird späterhin in fussnoten den namen ‚cohen‘ und die solchen oder solchen opferfeuer in bezug zueinander et zett

der traum brian williams‘, des nachrichtensprechers, hat ritzen

durch diese ritzen dringt qualm von zigarren und kultfeuern raus in die welt

herr cohen wird nichts dazu sagen herr williams wird scham empfinden

und auf den flugzeugträgern die im mittelmeer herumschwimmen wird dieser oder jener techniker ganz sicher dieses oder jenes gute buch mit sich führen zum beispiel was weiss ich so ein field manual zum richtigen schießgewehrputzen oder auch die ilias

hör auf zu quengeln musé alte keilerkolonnenbespassungsinstanz

herr williams auf msnbc muss scham zu empfinden bekommen  in engen und ritzigen träumen

athene glaukopis höchstselbst wird milde ihn anschauen

im lockeren anzug herrn cohens wird sie sitzen

im lockeren anzug herrn cohens

hör auf zu quengeln musé und sieh diese scheisse dir an:

Autorität und Kleinganoventum. Eine Übersicht.

Das Folgende erschien mir alles bisher selbstverständlich, nicht der Rede wert; erschien mir als *Ausgangspunkt* möglicher Gespräche über die Welt, in der wir leben, und nicht als deren potentieller *Gegenstand*. Ich wurde kürzlich drauf hingewiesen, dass dem nicht so sei, und dass ich’s mal aufschreiben solle. Ok. Hier bitte. Die einzelnen Punkte sind übrigens alle von K. Theweleit, H. Arendt, S. Freud, nur die holprige Hauruck-Zusammenfassung ist von mir. Es geht um zwei Fragen. Erstens: Warum es immer dieses gleiche Gesupp aus Privatkonkurs und Hochstapelei ist; gerade diese und keine andere Mischpoche; warum stets dieser Bodensatz … [weiterlesen auf KiG!]

Timo Brandt interviewt mich

Dein letzter Gedichtband heißt „denunziationen. haltlose gedichte“ (2015 bei hochroth erschienen). Inwieweit ist Schreiben für dich ein Denunzieren oder Geschriebenes eine Denunziation? Und ist Haltlosigkeit eine Zwangsläufigkeit, wenn man heutzutage Gedichte schreibt?

Zur einen Frage: Nicht im Allgemeinen, vielleicht mal im Speziellen.  Zur anderen: Nein, wieso? Im Ernst: „Denunziationen“ heißt das Buch, weil die Texte darin vom Gestus des habituellen Schimpfens in alle Richtungen leben, und davon, dass … [weiterlesen auf Fixpoetry]

Wahl und Kraftwerk und so weiter

Die Bäume also, hört man, fallen. Die Grazwahl ist geschlagen, und keine 24 Stunden drauf beginnt die Schaffung von Tatsachen zwischen Puntigam und Liebenau, in jenen Auen mithin, wo uns zum Staudamm dazu noch ein angeschlossenes Naherholungsgebiet versprochen wurde, als Ein noch besseres Naherholungsgebiet, als da eh schon ist; nicht mehr nur eine G’stetten mit Bäumen, sondern eine Extra-Spezial-G’stetten … Aber was wird an der dran dann so ‚extra‘ sein? – …eingebaute Lautsprecher im Fuchsbau, USB-Buchsen im Boden und gratis WLAN überall? …Sträucher, an denen Schleckeis wächst? …oder doch eher nur: Ein paar komfortabel asphalterne Anfahrtschneisen, ein paar ausdifferenzierte Konsumgelegenheiten, rentabel geworden dank dem Einebnen der unüberwachbaren Nischen und dank dem Entfernen der lauschigen, zur blickgeschützten Unzucht einladenden Gebüsche; vielleicht gibt’s auch zusätzliches Wachpersonal, sodass sich G’sindl von unsolider Herkunft gar nicht mehr aufzukreuzen traut … Ja, so ungefähr denken wir uns das und erinnern uns bei dieser Gelegenheit daran, dass unser alt=neuer Burgamasta schon mal dabei ertappt wurde, Caféhäuser für „öffentlichen Raum“ zu halten (Ich finde grad keinen Link zu einer Belegstelle, aber was soll’s). Aber da wir so spotten, … [weiterlesen auf KiG!]

donnerstags ist samstags and the centre cannot hold

ernst marianne binder ist tot und das ist ein schaas.

über das, was in washington-umgebung, auf der goßen schildkröteninsel im weiten weiten westen unterm weiten weiten himmel so passiert, brauchen wir an dieser stelle nicht zu reden, wozu auch?

(die schildkröten sind eifrig unter grund am bauen ihrer absprungkapseln richtung weltraum)

im engen hohen osten hier herüben zwischen hügeln bergen schneeschutzhütten reicht uns der hinweis dass sobotka und/oder doskozil …

… die dick und doof (und bert und ernie) des niedergangs der nachkriegsordnung …

… die neue regelung verantworten, dass fürderhin die taxifahrer reisedokumente kontrollieren sollen;

bei androhung der strengen strafe,

weil something something flüchtlinge.

wir nehmen diesen umstand

und legen ihn zur späteren verwendung aufs regal

donnerstags wahlplakate nummer sechs

SCHMITZER REZENSIERT PLAKATE ZUM GRAZER GEMEINDERATSWAHLKAMPF.
TEIL SECHS:

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SPÖ – Kontinuität! Linoleum! Stark angespannte Kiefermuskeln!

… bzw. … schauen die beiden nicht ein bisserl so aus, als wären sie – in einem paralleluniversum, in welchem sich im sog. westen arrangierte ehen als unproblematische norm gehalten haben – der brautvater und der prospektive gatte, in dem moment, da ersterer letzteren der tochter erstmals vorstellt und letzterer sich mit aller g’walt darum bemüht, nicht allzu deppert auszuschauen, dabei aber übers ziel hinausschießt und patzig-blingblingesk wirkt, was er auch merkt und das durch joviales geschwätz kompenisert, welches wiederum dem brautvater peinlich zu werden beginnt … also: dass er sich so einen deppen hat andrehen lassen … und genau in dem moment kommt die brautmutter rein, um aus dem anlass des frohen verlobungsfests die herren der schöpfung abzufotografieren, und man reisst sich zusammen, dreimal macht es klick, dieses da ist das dritte foto, das, bei dem die augen der beiden herren wieder offen sind, weil sie natürlich geblinzelt haben beim zweiten, und dieses dritte foto zeigt denn auch den moment genau, bevor die augen, alle vier, sich weiten, weil die braut bzw. tochter den moment des fotoblinzelns genutzt hat, abzuposchen … abzuhauen … durchzubrennen … davonzulaufen … sich über die häuser zu hauen … sich zu schleichen … und nie wieder nie nie wieder gesehen zu werden in jener wohnung mit den hell-dunkel-grau changierenden wänden, die wir da oben sehen, sondern statt dessen (a) lesbisch zu werden und (b) nach syrien auszuwandern, das in jener parallelwelt ein friedensreicher hort der zivilisation, der aufklärung und demgemäß der gleichberechtigung von mann, frau und genderkomplizierten personen wäre … so schauts aus … so weinen denn die putten im großen gemeindebau im großen grauen himmel über der triestersiedlung bitterlich zur internationalen, ach …

donnerstags nachtrag mit wahlplakate rezensieren nummer 4

schdramm sitzt in meinem schädel drein ein zinn=soll=dat‘ / als wie ein oarsch und turrn=prrofessohr. / der herrscht mich an und sagt / mit feuerfunkenaugen: „so geht das nicht, schmitzer. wenn du beschließt du schreibst an jedem donnerstag ein blogupdate. dann musstu auch eins schreiben. sonst werweiss sonst was sonst noch sonst passieret.“ in diesem zinnsoldatensinne folgen: vier nachträge für vier verpassten donnerstage (vom fuffzehntn dezemm- bis fünftn jänn-ér), und dann noch einen letzten, weil schon wieder jetzt und also donnerdtag, der zwölfte erste ist. envoi (und mit fanfarenschmettern):


SCHMITZER REZENSIERT PLAKATE ZUM GRAZER GEMEINDERATSWAHLKAMPF.
TEIL VIER:

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regional gut, global böse. zb auch bei der stromerzeugung. schon klar.

auch, von wegen regio vs wölt: wir denken uns den ungefähr den kleinsten gemeinsamen nenner von sigi nagl & bob marly, vorgetragen von den (sagen wir mal den) offbeat-oberlandlern. ca:

give us the teachings of his majesty / oh we don’t want / no devil / hilosophy …

 

donnerstags nachtrag mit wahlplakate rezensieren nummer 3

schdramm sitzt in meinem schädel drein ein zinn=soll=dat‘ / als wie ein oarsch und turrn=prrofessohr. / der herrscht mich an und sagt / mit feuerfunkenaugen: „so geht das nicht, schmitzer. wenn du beschließt du schreibst an jedem donnerstag ein blogupdate. dann musstu auch eins schreiben. sonst werweiss sonst was sonst noch sonst passieret.“ in diesem zinnsoldatensinne folgen: vier nachträge für vier verpassten donnerstage (vom fuffzehntn dezemm- bis fünftn jänn-ér), und dann noch einen letzten, weil schon wieder jetzt und also donnerdtag, der zwölfte erste ist. envoi (und mit fanfarenschmettern):


SCHMITZER REZENSIERT PLAKATE ZUM GRAZER GEMEINDERATSWAHLKAMPF.
TEIL DREI:

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(…)

(…)

(zurück von wem? zurück von mir? könnz ihr haben.)

(…)

(… man möcht ihnen ja nichts verwehren, den arme hascherln, den bemitleidenswerten …)

(… wie kleine weiße flauschehoppelhäschen … aber mit reißzähnen vorne drin in der häschenpapp’n)

(…)

(…)

(…)

(…)

 

 

 

 

donnerstags nachtrag mit wahlplakate rezensieren nummer 2

schdramm sitzt in meinem schädel drein ein zinn=soll=dat‘ / als wie ein oarsch und turrn=prrofessohr. / der herrscht mich an und sagt / mit feuerfunkenaugen: „so geht das nicht, schmitzer. wenn du beschließt du schreibst an jedem donnerstag ein blogupdate. dann musstu auch eins schreiben. sonst werweiss sonst was sonst noch sonst passieret.“ in diesem zinnsoldatensinne folgen: vier nachträge für vier verpassten donnerstage (vom fuffzehntn dezemm- bis fünftn jänn-ér), und dann noch einen letzten, weil schon wieder jetzt und also donnerdtag, der zwölfte erste ist. envoi (und mit fanfarenschmettern):


SCHMITZER REZENSIERT PLAKATE ZUM GRAZER GEMEINDERATSWAHLKAMPF.
TEIL ZWEI:

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das kann ja wohl nicht wahr sein.

ist das ein wahlplakat der grünen? in einer stadt mit schlechter luft, wo grade ein paar fantastilliarden bäume geschlägert werden sollen, wegen einem kraftwerk, das keiner braucht, und wo auch ein paar fantastillionen euro steuergeld verbraten werden, aus dem nämlichen grund, weil nämlich ein paar freunde von ein paar freunden vom bürgermeister dringend neue aufträge für ihre baufirmen gebraucht haben (oder so ähnlich stelllt sich der kleine maxi das vor)? also: in einer stadt, wo sich die grünen alleinstellungsmöglichkeiten und frontlinien fast von selber zeichnen würden (wenn man halt nicht selbst als funktionär_in irgendwo wohnen würd, wo die welt eh so oder so noch einigermaßen in ordnung bleibt…)

ist das, ich wiederhole mich, ein wahlplakat der grünen, oder ist das der aushang zum computerkurs für senioren „und familien“ des pfarrgemeindderates gigeritzpatschen?

ist das am ende euer ernst?

donnerstags nachtrag mit wahlplakate rezensieren nummer 1

schdramm sitzt in meinem schädel drein ein zinn=soll=dat‘ / als wie ein oarsch und turrn=prrofessohr. / der herrscht mich an und sagt / mit feuerfunkenaugen: „so geht das nicht, schmitzer. wenn du beschließt du schreibst an jedem donnerstag ein blogupdate. dann musstu auch eins schreiben. sonst werweiss sonst was sonst noch sonst passieret.“ in diesem zinnsoldatensinne folgen: vier nachträge für vier verpassten donnerstage (vom fuffzehntn dezemm- bis fünftn jänn-ér), und dann noch einen letzten, weil schon wieder jetzt und also donnerdtag, der zwölfte erste ist. envoi (und mit fanfarenschmettern):


SCHMITZER REZENSIERT PLAKATE ZUM GRAZER GEMEINDERATSWAHLKAMPF.
TEIL EINS:

donnerstags_graz_wahlkampf_neos


zwei claims. einer davon sagt „graz darf alles“ (übersetzung: vorschriften sind pfuigack; hausherren, die ihre mietskasernen zimmerweise per AIRB’N’B oder wie die scheisse heisst vermieten wollen, sollen nicht fürchten müssen, plötzlich abgaben zahlen zu müssen; der liberale nachtwächterstaat ist super und der markt wirds richten); dann kommt weiter unten und tendenziell weiter rechts (dh in leserichtung) „startup-hautstadt kann man wählen“, dazu fällt mir nix ein; und dann durchbricht ein pfeil die „natürliche“ leserichtung und verweist uns nach rechts oben; gar nicht blöd:

erst die „globale“ theorie; dann die „lokale“ handlunsganweisung („was kann ich tun, meister strolz, um dem mutigen rebellenteam anzugehören?“); schließlich das fazit, und erst, um zu ihm zu kommen, müssen wir uns soweit anstrengen, dass wir unsere augen einem pfeil folgen lassen.

ich stell mir die dazu gehörigen diskussionen in der dazu gehörigen agentur vor und möcht zuwi speiben. aber immerhin: und das muß man den neos lassen: sie sind die einzige partei, die weiß, im auftrag (a) welcher klasse sie (b) welche partikulargruppe anspricht, und (c) wofür das gut sein soll (also: (a) im auftrag des großbürgertums; (b) den eigenen nachwuchs plus paar verwirrte kreativleutchen; (c) um auch in vierzig jahren noch repräsentative demokratie spielen zu können, weil sich nämlich alles ändern muß, damit es immer immer gleich bleibt.)